Unruhen in Syrien:Tunesien soll Assad Asyl anbieten wollen

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Tunesien hat sich einem Medienbericht zufolge zur Aufnahme des syrischen Präsidenten Assad bereit erklärt - dies sei Teil eines Friedensplans. Aus Syrien selbst kommen wieder Berichte über Dutzende Tote. Nach UN-Angaben sind seit Beginn der Unruhen mehr als 7500 Zivilisten getötet worden.

Zuletzt waren es ein Massaker vor Homs, die andauernden Bombardements des Stadtteils Baba Amro, Gewalt gegen Demonstranten in allen Landesteilen, nicht zuletzt in der Hauptstadt Damaskus: Aus Syrien werden täglich neue Gewalttaten gemeldet. Wegen der Medienblockade durch das Regime lassen sich viele Angaben zur Gewalt in Syrien nicht überprüfen.

Demonstranten in Idlib, im Nordwesten Syriens: Das Land kommt nicht zur Ruhe. (Foto: AFP)

Seit Beginn des Aufstands gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sind nach einer neuen Schätzung der Vereinten Nationen deutlich mehr als 7500 Zivilisten getötet worden: "Es gibt glaubwürdige Berichte, dass inzwischen jeden Tag mehr als 100 Zivilisten sterben", sagte der für politische Fragen zuständige Unter-Generalsekretär Lynn Pascoe vor dem Sicherheitsrat in New York. Darunter seien viele Frauen und Kinder. Die UN haben damit ihre bisherige Schätzung um mehr als 2000 Tote erhöht.

Die syrische Regierung geht seit elf Monaten mit großer Härte gegen die Demonstranten vor. Erst vor kurzem hatten mehrere Staaten bei einem Treffen der "Freunde Syriens" in Tunis die Gewalt verurteilt. Nun will Tunesien offenbar einen eigenen Vorschlag zur Lösung der Krise vorlegen: Es soll sich zur Aufnahme von Assad bereit erklärt haben. Das berichtete die Zeitung La Presse vorab unter Berufung auf ein Interview mit dem tunesischen Präsidenten Moncef Marzouki. Neben Assad könnten demnach auch weitere Mitglieder des syrischen Regimes in Tunesien aufgenommen werden.

Die Offensive des syrischen Regimes gegen die Opposition hat inzwischen ein Ausmaß angenommen, dass die UN-Menschenrechtskommissarin erneut einen sofortigen Waffenstillstand in dem Land fordert - und kein diplomatisches Blatt vor den Mund nimmt. Ihrem Büro lägen Berichte über eine "massive Welle von Festnahmen" vor und zahlreiche Zivilpersonen seien von der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten abgeschnitten, sagte Navi Pillay auf einer Krisensitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. "Hunderte Menschen sind Berichten zufolge seit dem Beginn der jüngsten Offensive Anfang Februar getötet worden."

Die syrische Regierung solle internationale Beobachter ins Land lassen und Hilfsorganisationen Zugang gewähren, forderte Pillay. "Angesichts der unbeschreiblichen Gewalt" müsse sich der Internationale Strafgerichtshof mit der Lage in Syrien befassen, sagte die Menschenrechtskommissarin. "Mehr als jemals zuvor, müssen die Verantwortlichen für die Gewalt in Syrien verstehen, dass die internationale Gemeinschaft sich dieses Blutbad nicht länger anschauen wird und dass ihre Entscheidungen und Handlungen nicht ungestraft bleiben werden."

Der syrische UN-Botschafter Fajssal al Hamwi warf dem UN-Menschenrechtsrat nach den Worten Pillays vor, dem Terrorismus in seinem Land Vorschub zu leisten. Das Treffen am Dienstag werde die Krise in Syrien lediglich verlängern, sagte er. Die Sondersitzung über die Lage in Syrien hatten Golfstaaten und die Türkei beantragt. Sie wurden dabei von westlichen Staaten unterstützt.

Die von einigen Ländern gegen das syrische Volk verhängten "ungerechten und einseitigen Sanktionen" verhinderten, dass Medikamente und Brennstoffe gekauft werden könnten, kritisierte der Botschafter weiter. Die Staaten müssten aufhören, religiöse Konflikte in Syrien anzustacheln und Waffen an die Opposition zu liefern, rief er - anschließend verließ er den Raum.

Die verschärften EU-Sanktionen gegen Syrien sind an diesem Dienstag in Kraft getreten. Dies bedeutet, dass ab sofort das Vermögen der syrischen Nationalbank in den EU-Staaten eingefroren ist. Der Handel mit Gold, Edelmetallen und Diamanten ist verboten. Untersagt sind auch Frachtflüge syrischer Fluggesellschaften nach Europa.

Assads Regime versucht dem Aufruhr bislang mit oberflächlichen Reformen zu begegnen. Laut einem Bericht der Agentur Sana ist die neue Verfassung, über die am Sonntag abgestimmt wurde, bereits in Kraft getreten. Sie beendet die verfassungsrechtlich verankerte Vormachtstellung der seit Jahrzehnten regierenden Baath-Partei.

Wieder viele Todesopfer - und zwei Journalisten in Sicherheit

Unterdessen ist ein Journalist, der bei den Gefechten verletzt wurde, offenbar in Sicherheit. Der in Homs verwundete britische Journalist Conroy wurde inzwischen außer Landes gebracht. Er befinde sich gegenwärtig in Beirut, der Hauptstadt des Nachbarlandes Libanon, sagte sein Vater Les Conroy der britischen Nachrichtenagentur PA. Er bestätigte damit Informationen libanesischer Aktivisten.

Der Brite leidet nach eigenen Angaben auf einem via Youtube verbreiteten Video an drei Wunden an den Beinen und einer Wunde im Bauchbereich, die ihm ein Granatsplitter zugefügt habe. Er war gemeinsam mit der amerikanischen Sunday-Times-Kriegsreporterin Marie Colvin und dem französischen Fotografen Remi Ochlik in einen Artillerieangriff geraten. Colvin und Ochlik starben.

Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung scheinen sich zu intensivieren. Die syrischen Regierungstruppen sollen am Dienstag mehr als 40 Menschen getötet haben. Das berichteten Revolutionsaktivisten. Ihren Angaben zufolge griff die Armee die Ortschaft Halfaja nordwestlich der Stadt Hama mit Artillerie an. Mindestens 20 Menschen seien dabei ums Leben gekommen. Zahlreiche Opfer lägen noch unter den Trümmern ihrer Häuser.

Elf Tote soll es erneut in dem seit mehr als drei Wochen belagerten Stadtteil Baba Amro in Homs gegeben haben. Sechs Angehörige einer Familie seien bei einer Razzia in Homs ermordet worden: Ein Mann und seine Ehefrau, drei Töchter und ein Sohn.

Etwa 30 Studenten wurden laut Aktivisten in der Universität von Damaskus festgenommen. Vor der Universität von Aleppo hätten die Truppen des Regimes auf Studenten geschossen, die den Sturz des Regimes und die Hinrichtung von Präsident Baschar al-Assad gefordert hätten. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, fünf Soldaten seien bei einem Gefecht mit einem Trupp von Deserteuren in Dael (Provinz Daraa) getötet worden. Drei weitere Soldaten und mehrere Deserteure hätten Verletzungen erlitten. Ein Angriff der Armee wurde aus der Ortschaft Dschabal al-Sawija in der Provinz Idlib gemeldet, in der sich viele Deserteure aufhalten.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete dagegen, am Vortag seien 16 Angehörige der Armee und der Sicherheitsbehörden zu Grabe getragen worden. Diese seien von "bewaffneten Terrorbanden" getötet worden.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/AFP/Reuters/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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