Unruhen in Syrien:Panzer in Latakia

Lesezeit: 3 min

Das syrische Regime bringt seine Truppen in der nördlichen Küstenstadt Latakia in Stellung, Aktivisten melden Artilleriebeschuss, drei Menschen sterben. Derweil beraten US-Präsident Obama, der britische Premier Cameron und der saudische König Abdullah das weitere Vorgehen, Kanada verhängt Sanktionen.

Syrische Truppen haben sich in einem Viertel in der nördlichen Hafenstadt Latakia in Stellung gebracht: An diesem Samstag sei im Viertel Al Ramel heftiges Gewehrfeuer zu hören gewesen. Zugleich seien 20 Panzer und gepanzerte Truppentransporter eingerückt, erklärte Rami Abdul Rahman, Leiter des Observatoriums für Menschenrechte in Syrien mit Sitz in London. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurden am Samstag mindestens drei Zivilisten getötet.

Jugendliche Regimegegner bei Protesten gegen Assad am Freitag in Latakia: Der syrische Machthaber lässt in der nördlichen Hafenstadt nun Panzer auffahren. (Foto: AFP)

Unterstützt von Kriegsschiffen setzten die syrischen Streitkräfte ihren Angriff auf Latakia am Wochenende fort, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Die Kriegsschiffe hätten die Oppositionshochburg mit ihren Geschützen beschossen, berichteten syrische Exil-Aktivisten, etwa 20 Panzer und Panzerspähwagen rückten unter heftigem Gewehrfeuer in die südliche Vorstadt vor. Mindesten fünf Zivilisten starben diesen Angaben zufolge.

International stößt das brutale Vorgehen der Regierung zunehmend auf Kritik: US-Außenministerin Hillary Clinton hatte die internationale Gemeinschaft aufgerufen, die Beziehungen zur syrischen Regierung abzubrechen.

Obama, Cameron und König Abdullah

US-Präsident Barack Obama telefonierte daraufhin am Samstag mit dem britischen Regierungschef David Cameron und dem saudischen König Abdullah um die Lage in Syrien zu erörtern. Nach Angaben des Weißen Hauses bekräftigten alle drei Politiker, dass die Gewaltanwendung gegen Zivilisten sofort eingestellt werden müsse.

Der Präsident habe mit Cameron und Abdullah enge Konsultationen über das weitere Vorgehen gegen die syrische Führung vereinbart, so das Weiße Haus. Obama hat bei aller Kritik bisher nicht ausdrücklich den Rücktritt von Präsident Baschir al-Assad gefordert.

Derweil weitet Kanada seine Sanktionen gegen die Regierung in Damaskus aus. Gegen weitere Vertraute von Präsident Baschar Assad werde ein Einreiseverbot verhängt und die Vermögen von zusätzlichen Institutionen mit Beziehungen zur syrischen Regierung würden eingefroren, sagte Außenminister John Baird am Samstag.

Internet- und Telefon stillgelegt

Aus dem Viertel nördliche von Latakia seien zahlreiche Bewohner, vor allem Frauen und Kinder, meldete das Observatorium für Menschenrechte. In dem Viertel leben viele Palästinenser. Über den Hintergrund der Schüsse in Al Ramel war zunächst nichts bekannt. Telefon- und Internetverbindungen in der Gegend seien unterbrochen, gaben Aktivisten an.

Viele Sicherheitskräfte und regierungstreue Bewaffnete seien darüber hinaus am Samstag in die Ortschaft Kusair nahe der Grenze zum Libanon einmarschiert, sagte Abdul Rahman weiter. In mehreren Dörfern der Region nahmen Sicherheitskräfte nach Angaben weiterer Aktivisten zahlreiche Menschen fest, darunter auch Frauen und Kinder.

Im Al-Ramel-Viertel in Latakia waren am Vortag, wie auch in zahlreichen anderen syrische Städten, Tausende Menschen gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad auf die Straße gegangen. Auch in Kusair kam es in den vergangenen Wochen mehrmals zu Protesten.

Insgesamt hatten die Sicherheitskräfte am Freitag im ganzen Land 23 Menschen getötet, teilten Aktivisten mit, andere Quellen sprechen von 19. In der Protesthochburg Deir al-Sor ließ Assad Augenzeugen zufolge auf Teilnehmer der Freitagsgebete beim Verlassen der wichtigsten Moschee schießen. Seit vergangenem Sonntag seien allein in dieser Stadt 80 Menschen getötet worden.

Zehntausende waren am Freitag im ganzen Land auf die Straße gegangen und forderten den Tod von Präsident Assad. Landesweit war in Sprechchören zu hören: "Die Menschen wollen den Präsidenten hinrichten!" Die größten Protestkundgebungen wurden neben Deir al-Sor und Latakia aus Homs und Vororten von Hama gemeldet. In der Stadt Hama, die die Armee zu Beginn des Fastenmonats Ramadan stürmte, versuchte nach Angaben von Augenzeugen ein hohes Aufgebot an Soldaten, größere Proteste zu verhindern. Sicherheitskräfte setzten Schüsse und Tränengas gegen die Demonstranten ein.

Clinton für Öl- und Gasembargo gegen Syrien

US-Außenministerin Hillary Clinton forderte ein weltweites Öl- und Gasembargo gegen Syrien. Die Regierung dürfe keine finanzielle Unterstützung für ihr gewaltsames Vorgehen erhalten, sagte die Ministerin am Freitag in Washington und sprach sich außerdem für ein Verbot von Waffenverkäufen an Damaskus aus. Der internationale Druck auf das Assad-Regime steige, und möglicherweise werde es bald härtere Maßnahmen geben, sagte sie.

Assad habe seine Legitimation als Staatschef verloren. "Es ist klar, dass Syrien ohne ihn besser dran wäre", sagte Clinton. Frankreich forderte unterdessen die sofortige Freilassung des Vorsitzenden der syrischen Menschenrechtsliga.

Abdul Karim Rihawi war nach Angaben eines Aktivisten gemeinsam mit einem Journalisten, der ihn in einem Café in Damaskus interviewte, festgenommen worden. Rihawis Festnahme sei eine neue inakzeptable Entscheidung der Behörden in Damaskus, hieß es in einer Erklärung des Pariser Außenministeriums.

Der UN-Sicherheitsrat will angesichts der Gewalt in der kommenden Woche erneut über die Lage in Syrien beraten. Bei einer Sondersitzung am Donnerstag sollen UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay und die Chefin der humanitären UN-Einsätze, Valerie Amos, über die Lage in dem Land berichten, teilte die französische UN-Mission mit. Die europäischen Mitglieder des Gremiums hatten die Sitzung beantragt, um weiter Druck auf Assad auszuüben.

© dpa/dapd/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: