Ungarn:Tränengas gegen Flüchtlinge

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Ungarn hält Migranten mit Gewalt davon ab, den Grenzzaun zu durchbrechen. Hunderte Menschen suchen sich nun eine Ausweichroute Richtung Deutschland - doch auch diese gilt als sehr gefährlich.

Von Cathrin Kahlweit und Jan Bielicki, München

Einen Tag nach der Schließung des Zauns zu Serbien durch die ungarischen Behörden eskaliert die Lage an der Grenze bei Röszke. Am Mittwochnachmittag durchbrach eine Gruppe frustrierter Flüchtlinge die Grenzanlagen und versuchte, sich mit Gewalt Zugang nach Ungarn zu verschaffen. Die Polizei trieb die Menschen zurück; sie setzte dabei Wasserwerfer, Tränengas und Pfefferspray ein.

In den vergangenen 36 Stunden, seit Ungarn die Grenze für Ankömmlinge aus dem Süden komplett dicht gemacht hatte, waren auf der serbischen Seite des Grenzzauns nach Angaben von Hilfsorganisationen etwa 4000 Menschen gestrandet, die zunehmend verzweifelt reagierten. Ungarn hatte Tausende Polizisten und Soldaten nach Süden verlegt. Die Regierung in Budapest erklärte nach dem Gewaltausbruch, eine Gruppe "aggressiver Flüchtlinge" habe den Grenzübergang durchbrochen, die Polizei ergreife "angemessene Maßnahmen, um die ungarische Staatsgrenze und die äußere Grenze der Europäischen Union zu schützen".

20 Polizisten seien verletzt worden. Unter den Flüchtlingen gab es serbischen Ärzten zufolge zwei Schwerverletzte. Serbiens Regierungschef Aleksandar Vučić warf Ungarn ein "brutales" und "nicht-europäisches" Vorgehen vor. "Schockierend" und "nicht hinnehmbar" nannte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Umgang mit Flüchtlingen in Ungarn. Dessen Ministerpräsident Viktor Orbán kündigte an, auch an der Grenze zu Kroatien einen Zaun bauen zu lassen. "Es gibt bereits Pläne dafür", sagte er der Wiener Zeitung Die Presse. Den Bau eines Zaunes an der Grenze zu Rumänien hatte die Regierung bereits tags zuvor angekündigt. Viele Flüchtlinge suchen nun nach neuen Wegen Richtung Mitteleuropa. Hunderte trafen am Mittwoch im serbischen Ort Šid ein, um von dort aus ins nahe Kroatien zu gelangen. Laut kroatischer Polizei haben 900 Menschen die Grenze bereits passiert. Die Flüchtlinge "dürfen Kroatien passieren", sagte Ministerpräsident Zoran Milanović im Parlament in Zagreb, "wir sind bereit, diese Menschen anzunehmen und dorthin zu leiten, wo sie offensichtlich hin wollen" - also via Slowenien nach Österreich und Deutschland. Die Route durch das serbisch-kroatische Grenzgebiet gilt als gefährlich, weil dort noch Minen aus dem Jugoslawien-Krieg liegen.

Österreich wollte am Mittwoch Kontrollen an seiner Grenze zu Slowenien beginnen, wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ankündigte. Etwa 22 000 Menschen, die in den vergangenen Tagen aus Ungarn nach Österreich gekommen waren, befinden sich demnach noch im Land. Am Salzburger Hauptbahnhof sammelten sich am Mittwoch bis zu 2000 Flüchtlinge. Der Zugverkehr von Salzburg in Richtung Deutschland wurde erneut unterbrochen. Bis zum Abend kamen laut Bundespolizei etwa 1000 Flüchtlinge zu Fuß nach Bayern.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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