Ungarn:Orbáns linker Herausforderer

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Ungarns Sozialdemokraten küren Lázló Botka zum Spitzenkandidaten für die Wahl 2018. Der proeuropäische Politiker gilt als chancenreich, schwer wird er es trotzdem haben.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

László Botka, der chancenreichste Herausforderer von Viktor Orbán bei der Parlamentswahl im kommenden Jahr, war schon vor Monaten von seiner Partei als Spitzenkandidat ausgerufen worden. Nun, nach seiner offiziellen Kür auf dem Parteitag der sozialdemokratischen MSZP vergangenes Wochenende, ist Botka gleich einmal nach Brüssel gefahren, um sich mit Parteifreunden im Europaparlament und mit dem stellvertretenden Kommissionschef Frans Timmermans zu treffen. Der MSZP-Kandidat, der im Hauptberuf Bürgermeister der südungarischen Stadt Szeged ist, setzt auf Allianzen und Netzwerke in der EU, nachdem Brüssel zuletzt die Gangart gegen Orbán verschärft hatte.

Vertreter der Regierungspartei Fidesz unterstellen Lázló Botka, er sei ein "Soros-Kandidat"

Die regierungsfreundliche Presse in Ungarn merkte umgehend an, dass Botka ein Sicherheitsrisiko für das Land und nicht umsonst gerade in dieser Woche nach Belgien gereist sei: Auch George Soros halte sich derzeit dort auf. Soros, US-Milliardär und Philantrop, ist der Hauptfeind der ungarischen Regierung; sie unterstellt ihm, er wolle mithilfe von Nichtregierungsorganisationen und Oppositionsparteien die Macht von Fidesz brechen. Botka, so Vertreter der Regierungspartei Fidesz, sei ganz klar ein "Soros-Kandidat".

Dabei hatte der 44-jährige Staatsrechtler, Verwaltungschef in der letzten noch links regierten Großstadt Ungarns, auf dem MSZP-Parteitag auch von den eigenen Leuten starken Gegenwind erhalten, weil er angekündigt hatte, das rigide Grenzsystem an Ungarns Südgrenze überdenken zu wollen. Die Sozialisten wissen aber, dass die Mehrheit der Ungarn den Orbán-Kurs in der Flüchtlingspolitik gutheißt, und wollen bei diesem Thema keine offene Flanke bieten. Die Partei will sich bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 vor allem auf Orbán einschießen, der das Land an den Abgrund und aus der EU treibe.

Botka, ein freundlicher Zweimetermann, der den Großteil seines Berufslebens in der Partei absolviert hat und mit 21 Jahren jüngster Abgeordneter im Budapester Parlament war, regiert Szeged seit 15 Jahren mit großem Erfolg; dreimal wurde er wiedergewählt. Seine Beliebtheitswerte sind im Vergleich zum Premier gar nicht mal so schlecht; zahlreiche Umfragen sehen ihn mit Orbán fast gleichauf. Das regierungsnahe Századvég-Institut meldet indes einen Abstand von 30 Punkten zwischen beiden Kandidaten.

Allerdings war, trotz einiger Bemühungen Botkas, für die kommende Wahl keine gemeinsame Plattform samt gemeinsamen Kandidaten der linken Parteien zustande gekommen, sodass Orbán angesichts des auf Fidesz-Interessen zugeschnittenen Wahlrechts als sicherer Sieger gilt. Einige Prozentpunkte dürfte die zersplitterte Opposition außerdem die neue, kleine Partei Momentum kosten. Sie war aus einer Bürgerinitiative gegen die Olympia-Bewerbung Budapests 2024 hervorgegangen.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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