Ungarn:Für alle Fälle

Das geplante Notstandsgesetz ist gefährlich - für die Ungarn.

Von Cathrin Kahlweit

Die ungarische Regierung lässt gerade ein Notstandsgesetz erarbeiten, das speziell auf Terrorattacken zielt; eine neue Bedrohungslage habe das nötig gemacht. Damit hat Premier Viktor Orbán im Prinzip recht. Gesetze und Strategien müssen im Zweifel der Realität angepasst werden, und der globale Terror hat eine neue Qualität erreicht.

Orbáns Neuausrichtung der Landesverteidigung krankt jedoch an zweierlei: Was genau Terror ist und ob jede durch Terror ausgelöste "nationale Krise" die Aussetzung bürgerlicher Rechte, das Außerkraftsetzen von Grundrechten und fast diktatorische Vollmachten rechtfertigt, ist mehr als zweifelhaft. Und: Der Premier kann per Dekret eine Art Selbstermächtigung beschließen; das Parlament wird erst nach zwei Monaten befragt.

Das kann, das muss nicht ausgenutzt werden. Das kann, das muss nicht zu einer "Abschaffung der Demokratie" führen, wie Kritiker befürchten. Das kann, das muss sich nicht gegen das eigene, in diesem Fall das ungarische Volk richten. Aber: Die Debatte über die Einführung einer Notstandsgesetzgebung in Deutschland 1968, zu Zeiten des RAF-Terrors, fokussierte sich schnell darauf, dass Vorsicht und Selbstbeschränkung bei der Begrenzung von Grundrechten verfassungsrechtlich und demokratiepolitisch geboten sind. In Deutschland darf daher Widerstand geleistet werden, wenn versucht wird, die verfassungsmäßige Ordnung abzuschaffen. Auch das gehört in ein Terror-Notstandsgesetz.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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