Ungarn:Ein Land schafft Fakten

Budapest verschärft seine Flüchtlings-Politik und fühlt sich von anderen EU-Staaten bestätigt.

Von Cathrin Kahlweit

Ungarn hat die Geduld verloren mit der EU, so wie umgekehrt die EU schon viele Male die Geduld verloren hat mit Ungarn. Weil allein in diesem Jahr schon etwa 70 000 Flüchtlinge nach Ungarn gekommen sind, hat das Parlament in Budapest nun eine Verschärfung des ohnehin schon strengen Asylrechts beschlossen. Damit soll vor allem Abschreckung betrieben werden, es soll sich herumsprechen, dass Flüchtlinge in Ungarn nicht willkommen sind. In Budapest mochte man nicht mehr auf eine europaweite Lösung warten, die aber ja ohnehin, wäre sie zustande gekommen, nicht im Sinne der Orbán-Regierung gewesen wäre: Diese lehnt obligatorische Quoten ab.

Also werden Fakten geschaffen: mit dem Bau des Zauns zu Serbien, der jetzt ebenso beschlossen wurde; und mit der Ankündigung, Asylanträge von Flüchtlingen aus sicheren Drittländern, und als solche gelten alle Nachbarländer außer der Ukraine, nicht mehr anzunehmen.

Man kann jetzt in Rage darüber verfallen, dass Budapest sich seine eigenen Regeln schafft. Man kann das Vorgehen des Premiers Viktor Orbán als erpresserisch und populistisch bezeichnen, und beides stimmt. Aber in einem ist der Ungar, so zynisch das klingen mag, ein europäischer Vorreiter: Solange sich die EU-Staaten in Flüchtlingsfragen nur auf ihre nationalen Interessen konzentrieren, kann Orbán sagen, er tue - auf seine radikale Weise - nur, was alle tun.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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