Ungarn:Alle schuldig

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In Ungarn gibt es Schnellgerichte für illegal eingereiste Flüchtlinge - das Urteil steht schon fest, bevor der Prozess beginnt. Doch weil sie nicht abgeschoben werden können, landen die meisten in Lagern.

Von Cathrin Kahlweit

Auf dem Gang ist längst kein Durchkommen mehr. Polizisten, Anwälte, Richter, Übersetzer für Farsi, Urdu, Arabisch, Albanisch schwätzen, gähnen, rufen, drängen aneinander vorbei. Ein Uniformierter sortiert Anklagen, Aussagen und Polizeiberichte auf Fensterbrettern und Heizkörpern, er schichtet sie zu kleinen Haufen, sie schwanken gefährlich. Dutzende Stapel sind es allein an diesem Nachmittag. Ab und zu geht die Tür zu einem der klassenzimmergroßen Räume auf, dann schieben sich Verteidiger und Staatsanwälte hinaus und die nächsten hinein, Verurteilte werden hinaus-, Angeklagte hineingeführt. "Hat einer den Inder?", ruft ein Polizist in die Menge. "Nein, nur Pakistan hier", brüllt ein Kollege zurück. Am Ende des Flures wird ein somalischer Übersetzer kurz mit einem Festgenommen verwechselt, dabei hat er sich einen schicken, roten Wollschal umgeworfen und elegante, beige Lederschuhe angezogen für den Tag bei Gericht.

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