UN-Bericht:Giftgas auf syrische Dörfer

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Vor drei Jahren verpflichtete sich Assad, alle Chemiewaffen zu vernichten. Doch sowohl die Truppen des Machthabers als auch Terroristen des IS setzen Chlor- und Senfgas ein.

Von Moritz Baumstieger, München

Die Luftwaffe des Machthabers Baschar al-Assad und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben verbotene chemische Kampfstoffe im syrischen Bürgerkrieg eingesetzt. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen, deren Bericht zwar erst kommende Woche veröffentlicht werden soll. Die Ergebnisse der Untersuchung lagen jedoch schon am Donnerstag mehreren Nachrichtenagenturen vor.

Insgesamt neun Vorfälle aus den vergangenen Jahren wurden untersucht, bei drei lägen "ausreichende Informationen vor, um auf die Täter zu schließen", heißt es im Bericht. Demnach hat das Assad-Regime im April 2014 und im März 2015 bei Angriffen auf zwei Dörfer in der Region Idlib Bomben aus Hubschraubern abgeworfen, die mit Chlorgas präpariert waren. Syrien war erst 2013 der internationalen Chemiewaffenkonvention beigetreten, nachdem Russland und die USA massiven Druck ausgeübt hatten. US-Präsident Barak Obama hatte einen Einsatz chemischer Kampfstoffe zuvor als "rote Linie" bezeichnet, bei deren Übertretung seine Regierung eine harsche Antwort geben würde. Syrien verpflichtete sich, sämtliche Chemiewaffen zu zerstören. Berichten zufolge hielt Damaskus aber immer einen gewissen Vorrat zurück.

Der IS hat laut UN im August 2015 giftiges Senfgas im Ort Marea nahe Aleppo eingesetzt. Die Dschihadisten seien im Syrien-Konflikt die einzige Kriegspartei "mit der Fertigkeit, dem Willen und der Möglichkeit zur Nutzung" dieses spezifischen Kampfstoffes, heißt es im UN-Bericht. Das US-Magazin Foreign Policy hatte vergangene Woche einen Artikel veröffentlicht, in dem ein hochrangiges IS-Mitglied anonym berichtete, dass die Dschihadisten über eine große Menge Chemiewaffen verfügten. Bereits im Dezember 2012 sollen Kämpfer anderer Milizen die Stoffe bei der Erstürmung einer Basis der syrischen Armee erbeutet und dann dem IS überlassen haben.

Viele UN-Mitglieder reagierten empört. Deutschland und Frankreich fordern eine entschiedene Antwort des Sicherheitsrats, auch die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, fordert eine "starke und schnelle Reaktion". Das Gremium wird sich kommenden Dienstag mit dem Bericht befassen, Russland soll zu einer Resolution gegen seinen Verbündeten Assad gedrängt werden. "Wenn die Regierung in Moskau ein Veto einlegen würde, müsste sie den Einsatz von Giftgas rechtfertigen", sagte ein Diplomat in Paris.

Unterdessen hat die Türkei ihren Einsatz in Nordsyrien ausgeweitet. Nachdem die Freie Syrische Armee die Stadt Dscharablus vom IS zurückerobert hatte, rollten am Donnerstag weitere türkische Panzer über die syrische Grenze. Verteidigungsminister Fikri Işık betonte das "Recht" seines Landes, auch kurdische Milizen zu bekämpfen. US-Außenminister John Kerry unterrichtete Ankara aber am Donnerstag, man habe die kurdischen Einheiten zu einem Rückzug auf die Ostseite des Flusses Euphrat bewegen können. Nach Berichten türkischer Medien plant Ankara nun eine Pufferzone in Nordsyrien. Anstelle der derzeit eingesetzten 450 Elitekräfte könnten dort bis zu 15 000 türkische Soldaten längerfristig stationiert werden.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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