Umwelt:"Tricksen und Schönrechnen"

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Zu viel Gülle auf deutschen Feldern - es drohen Millionen-Strafzahlungen an die EU. Nun hat die Regierung eine entsprechende Verordnung fertiggestellt. Doch die Länder fühlen sich getäuscht.

Von Markus Balser, Berlin

Die Verhandlungen im Kampf gegen wachsende Umweltbelastungen durch zu viel Gülle auf deutschen Feldern hatten Jahre gedauert. Mitte Juni stand endlich der Kompromiss: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) kündigte an, einem modernen Düngerecht stehe nach der Einigung von Bund und Ländern nichts im Weg. Die Betriebe sollten verpflichtet werden, genau Buch zu führen, wie viel Gülle auf den Feldern landet. Schließlich drängt die Zeit: Die EU-Kommission hatte Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte verklagt, millionenschwere Strafzahlungen könnten die Folge sein. Bundesbehörden warnten zudem kürzlich vor stark steigenden Wasserpreisen. In beiden Fällen müssten die Bürger zahlen. Doch Ende Juni erreichte den Minister in Berlin nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ein brisantes Schreiben aus sechs Bundesländern. Minister aus Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Berlin, Niedersachsen, Hessen und Bremen machen der Bundesregierung schwere Vorwürfe. Der Bund soll die Verordnung über "betriebliche Stoffstrombilanzen" im Nachhinein entschärft haben. "Die Verordnung ist in dieser Form für uns nicht zustimmungsfähig", stellen die Minister kühl fest.

Betriebe sollen künftig sogar mehr Stickstoffe ausbringen können, wird kritisiert

Bauern sollen künftig darüber Buch führen, wie viele Nährstoffe auf den Hof kommen - etwa über Dünger. Auf der anderen Seite soll aufgeführt werden, was den Hof wieder verlässt, als Produkte wie Getreide oder Fleisch. Bleibt Stickstoff beim Bauern, muss dieser zwangsläufig in die Umwelt gegangen sein. Erwartet worden war eigentlich, dass der Bundesrat dem Entwurf am 22. September zustimmt - zwei Tage vor der Wahl. Weigert er sich, verfällt das Gesetz wie alle Regelungen ohne finale Zustimmung.

Derzeit scheint eine Einigung außer Reichweite zu sein. Er sei "entsetzt", sagt Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer. Der Kompromiss stehe auf der Kippe, weil Schmidt die Verordnung "durch Tricksen und Schönrechnen aufweichen" wolle, klagt Meyer. So sollen Betriebe plötzlich nicht weniger, sondern mehr Stickstoffe ausbringen können. Eine einheitliche Obergrenze für maximale Überschüsse fehlt nach Angaben der Länder. Die Regelung reduziere die zu hohe Umweltbelastung nicht - sie legalisiere diese sogar. Ein Sprecher Schmidts widersprach. Der Entwurf könne die Belastung reduzieren.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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