Umfragen: Obama führt wieder:Gewinner in der Krise

Lesezeit: 4 min

Barack Obama hat ein besseres Händchen, wirtschaftliche Krisen zu lösen - meinen die Amerikaner. Und sorgen dafür, dass die Werte des demokratischen Kandidaten deutlich steigen.

Verena Wolff

"It's the economy, stupid". Dieser kurze Satz, aufgeschrieben auf so ziemlich jeden verfügbaren Zettel an jedem verfügbaren Ort, hat Bill Clinton wohl die Präsidentschaft gebracht. Der Kandidat, 1992 im Wahlkampf noch ein paar Monate jünger als jetzt Barack Obama, hatte das Wichtigste schnell erkannt. Die Wirtschaft muss brummen. Dann geht es den Amerikanern gut. Und dann wählen sie den Demokraten.

Barack Obama hat derzeit gut lachen - die Umfragen sprechen für ihn. (Foto: Foto: AP)

Keine Affären, keine Skandale, nichts war schließlich so auschlaggebend wie dieser kurze Satz, den die Berater dem Clinton-Team immer wieder vorbeteten. Denn George Bush, der Senior, hatte während des Wahlkampfes einen entscheidenden Fehler gemacht: Er hatte versprochen, die Steuern nicht zu erhöhen. "Read my lips (Lesen Sie es von meinen Lippen ab)", sagte er vor laufender Kamera: "No new taxes (keine neuen Steuern)." Ein Slogan, der Bush sen. immer wieder einholte - und auf den ihn Clinton immer wieder festnagelte.

The economy, die Wirtschaft, spielt auch im aktuellen Wahlkampf wieder eine große Rolle. Denn die US-Finanzkrise hat dem demokratischen Bewerber Barack Obama Aufwind beschert: Neuesten Umfragen zufolge liegt der Senator aus Illinois wieder vor seinem republikanischen Gegner John McCain - mit bis zu neun Prozent. Der neuesten Erhebung im Auftrag der Washington Post und des TV-Senders ABC zufolge führt Obama nun mit 52 Prozent zu 43 Prozent.

Zuvor hatte bereits CNN aus verschiedenen Umfragen eine ähnliche Tendenz berechnet, wenn auch mit niedrigerem Wert: Demnach würde Obama 49 Prozent der Wählerstimmen erhalten, McCain hingegen lediglich 44 Prozent. Sieben Prozent sind noch unentschlossen, für wen sie sich beim Urnengang am 4. November entscheiden wollen.

In einigen entscheidenden, weil mit vielen Wahlmännern ausgestatteten Staaten liegt Obama schon länger vorn. In einigen der sogenannten Swing States, den Staaten, die nicht einem Lager zuzuordnen sind, hat der demokratische Senator aktuell allerdings auch die Nase vorn: So führt er in Wisconsin mit 48 zu 45 Prozent vor McCain, in Pennsylvania mit 47 zu 44 Prozent, wie CNN berichtet.

Die Swing States sind unentschieden

Aber nicht überall ist die Lage so klar: So sind die Kontrahenten in Florida, Ohio und Missouri sechs Wochen vor der Wahl gleichauf. In Florida ist McCains Vorsprung auf einen einzigen Prozentpunkt zusammengeschmolzen - 47 zu 46 Prozent heißt es aktuell im traditionell heißumkämpften Sunshine State, nachdem der republikanische Kandidat den Sommer über einen recht komfortablen Vorsprung verzeichnen konnte. In Ohio ist das Zahlenverhältnis derzeit dasselbe: 20 Wahlmänner stimmen dort ab. Und noch nie hat ein Republikaner die Präsidentschaft gewonnen, wenn er nicht in Ohio siegreich war.

Auch für den Staat Missouri hat CNN ein interessantes Rechenbeispiel parat: Missouri habe in allen bis auf eine Wahl seit 1904 immer für den Bewerber gestimmt, der schlussendlich ins Oval Office einzog. Die Missourians haben George W. Bush mit einem Vorsprung von sechs Prozentpunkten vor John Kerry gewählt, vier Punkte lag der Junior 2000 vor Al Gore. Derzeit führt McCain mit 49 zu 45 Prozent.

Barack Obama
:Hoffnungsträger der Demokraten

Er ist der erste Schwarze, den die Demokraten ins Rennen um die US-Präsidentschaft schicken. sueddeutsche.de zeigt sein Leben in Bildern.

Finanzkrise als Auslöser

McCain im O-Ton
:"Ich bin älter als Dreck"

John McCain über Alter, moralisches Versagen, Wahlkampf und sein Lieblingsthema - Krieg gegen den Terror. Treffende Zitate des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten in Bildern.

Ursache für die wieder besseren Werte des schwarzen Senators ist Meinungsumfragen zufolge die schwere Krise auf den US-Finanzmärkten. Denn nach einer Befragung des Senders meinen 47 Prozent der Amerikaner, die regierenden Republikaner haben sie mitverschuldet. Lediglich 24 Prozent sehen die Schuld eher bei den Demokraten. Auch trauen die Befragten Obama eher zu, wirtschaftliche Krisen zu meistern.

In den vergangenen Wochen war der 47-jährige Obama noch erheblich in die Defensive geraten. Denn der junge Kandidat stand im Schatten einer noch jüngeren Frau: Sarah Palin. Zwar wollte es das Team Obamas nicht so recht zugeben - doch die Ernennung der Gouverneurin von Alaska hatte die Demokraten auf dem falschen Fuß erwischt.

Jetzt hat sich die Lage umgekehrt: Die Finanzkrise hat Obama einen wichtigen strategischen Vorteil zurückgegeben. Kurzzeitig war es McCain mit dem Palin-Faktor gelungen, seinem Rivalen das Reformer-Etikett zu stehlen. Jetzt aber kann der Senator aus Illinois wieder genüsslich auf einem seiner Hauptargumente herumreiten: dass der Republikaner nach einem Vierteljahrhundert im Kongress und acht Jahren als Gefolgsmann von Präsident George W. Bush Teil des Problems ist.

McCain in der Defensive

Nicht ein Tag vergeht, an dem sich Obama nicht öffentlich darüber mokiert, dass sich McCain nun als flammender Bannerträger der Finanzmarkt-Regulierung präsentiert - als hätte er bei einer ganzen Reihe von Gesetzesinitiativen nicht das Gegenteil bewiesen.

"Wir können es uns bei der Lösung einer Finanzkrise nicht leisten, immer zwischen Positionen hin- und herzuspringen, je nachdem was die jüngsten Nachrichten des Tages sind", spottete Obama am vergangenen Wochenende. Hinzu kommt: Die Wirtschaft ist die Achillesferse des Republikaners - er selbst hatte unlängst zugegeben, dass er von Wirtschaft nicht sehr viel Ahnung hat: "Und nun will er (McCain) uns auf demselben katastrophalen Pfad weiterführen." Republikaner, so Obama weiter, hätten die Wirtschaft ruiniert, "und nun müssen wir sicherstellen, dass das nicht noch einmal geschieht".

Wirksame Nachhilfe

Patzer McCains kamen dem Demokraten zu Hilfe. Von einer "fundamental" starken Wirtschaft hatte der 72-Jährige noch nach dem Absturz der Investmentbank Lehman Brothers gesprochen und sein Wirtschaftsberater Phil Gramm den Amerikanern noch unlängst bescheinigt, sie seien Jammerlappen.

Auch Obama musste sich noch vor kurzem vorwerfen lassen, er habe zwar in Sachen Wirtschaft eine große Lippe riskiert, aber kein konkretes Programm. Hochkarätige Berater aus der wirtschaftlich blühenden Clinton-Zeit - darunter die früheren Finanzminister Robert Rubin und Lawrence Summers - haben dem Senator allerdings in der Zwischenzeit Nachhilfeunterricht gegeben. Und der zeigt sich nach Ansicht der Los Angeles Times zunehmend "selbstsicher und detailorientiert".

Unterdessen bleiben Obama und McCain nur noch wenige Tage, um durch die Provinz zu ziehen und dort Eindruck auf die Wähler zu machen. Bereits am Freitag steht die erste Fernsehdebatte an, in der es um die Außenpolitik gehen soll. Die Vizepräsidenten-Kandidaten, Joe Biden und Sarah Palin, treffen am 2. Oktober aufeinander.

Sogar die deutschen Sender ARD und ZDF übertragen je zwei der vier TV-Duelle im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf live. Die erste und die letzte Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama sind in der ARD zu sehen, das ZDF überträgt das zweite Streitgespräch und das Duell der Kandidaten für die Vizepräsidentschaft, Joe Biden und Sarah Palin. Der von ARD und ZDF gemeinsam betriebene Dokumentationskanal Phoenix bietet Live-Übertragungen aller vier TV-Duelle. Alle Debatten werden auf den drei Kanälen in Zweikanalton gesendet.

© sueddeutsche.de/dpa/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Parteitag der US-Republikaner
:Jubel für den Veteranen

Mit Spannung wurde die Rede des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten erwartet. Der Auftritt von John McCain in Bildern.

Jetzt entdecken

Gutscheine: