Ukraine:Das sind die Beweise der Ermittler im Fall MH17

Ein großes Team unter Leitung der Niederlande hat Tausende Wrackteile des abgeschossenen Flugzeugs, Bilder, Telefonanrufe und Zeugenaussagen untersucht. Viele Punkte sind nun geklärt.

Von Deniz Aykanat und Markus C. Schulte von Drach

Verschiedene Szenarien des Absturzes

Das internationale Ermittlerteam (Joint Investigation Team, kurz: JIT) hat verschiedene Szenarien geprüft, die zum Absturz des Flugzeugs geführt haben können. Plausibel erscheint ihnen aber nur eines: Flug MH17 wurde vom Boden aus mit einer Luftabwehrrakete abgeschossen.

Alternative Szenarien, wie einen Unfall, den Abschuss des Flugzeugs aus der Luft durch ein Kampfflugzeug oder eine Übernahme des Cockpits durch Terroristen in der Luft, schließen die Ermittler aus.

Radaraufzeichnungen sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland zeigten, dass sich zum Zeitpunkt des Absturzes kein anderes Flugzeug in der Nähe von MH17 befunden habe, heißt es in dem Bericht. Die Ermittler gehen auch auf die jüngst von russischer Seite präsentierten Radaraufzeichnungen ein, die ebenfalls belegten, dass MH17 nicht von einem anderen Flugzeug abgeschossen wurde.

Die verwendete Waffe

Wie das Dutch Safety Board, das bereits im vergangenen Jahr einen Bericht zum Absturz von MH17 präsentierte, kommt das JIT zu dem Ergebnis, dass das Flugzeug von einer Buk-Rakete der Serie 9M38 abgeschossen wurde. Hierzu haben die Experten eine Buk-Rakete auseinander gebaut und deren Teile mit Metallstücken vom Absturzort verglichen.

Die forensische Untersuchung

Ziel der kriminaltechnischen Untersuchung war es, zu beweisen, dass die Teile, die am Absturzort geborgen wurden, nicht von Dritten dort platziert wurden. Wrack- und Leichenteile mussten also Spuren aufweisen, die auf einen Abschuss durch eine Buk-Rakete schließen lassen.

Bei der Autopsie der Leichen der Cockpit-Crew wurden Fragmente gefunden, die zum Sprengkopf einer Buk-Rakete der Serie 9M38 gehören. An diesen Fragmenten entdeckten die Ermittler Spuren von Cockpit-Glas. Es handelt sich dem Bericht zufolge um dasselbe Spezialglas, das bei einer Boeing 777 verwendet wird. Zudem wurde im Rahmen eines der Cockpit-Fenster ein Metallteil entdeckt, das von einer Buk-Rakete stammt. Die verdrehte Position des Metallstücks in dem Rahmen deute darauf hin, dass es mit großer Wucht auf das Cockpit-Fenster geschossen wurde.

Herkunft des Raketensystems

Die Ermittler sind sich sicher, dass sie die Route, die das Flugabwehrsystem vor und nach dem Abschuss von MH17 zurückgelegt hat, weitgehend nachvollziehen können. Hinweise darauf erhielten sie aus abgehörten Telefonaten, Augenzeugenberichten, Fotos und Videos, die in den sozialen Medien veröffentlicht wurden - und einer Videoaufnahme, die zuvor nicht öffentlich war. Den Ermittlern zufolge wurde das BUK-System von russischem Territorium aus in die Ostukraine gebracht, einen Teil der Strecke brachte es auf einem Volvo-Lastwagen hinter sich, der von einem Konvoi begleitet wurde. In einem der Wagen sollen bewaffnete Männer in Uniform gesessen haben.

Der Abschussort der Buk-Flugabwehrrakete

Die Experten des JIT sind sich sicher, dass das Flugabwehrraketensystem auf einen Acker in der Nähe von Perwomajsk, einem Dorf südlich von Snischne, gebracht wurde. Diese Schlussfolgerung basiert auf etlichen Augenzeugenberichten von Menschen, die den Kondensstreifen der Rakete beobachtet und fotografiert haben.

Mehrere Augenzeugen berichteten, dass sie das Buk-System und eine Rauchwolke gesehen hätten. Einige haben Abschussgeräusche und die Rakete gehört. Das Telar-Startfahrzeug soll sich danach wieder entfernt haben, es wurde kurz darauf wieder auf einen Transporter geladen und noch in der Nacht über die Grenze nach Russland zurücktransportiert.

Ursprünglich hatten die Ermittler noch andere mögliche Abschussorte als Perwomajsk in Erwägung gezogen, insbesondere auch jene, auf die das russische Verteidigungsministerium hingewiesen hatte. Angeblich sollen diese von der ukrainischen Armee kontrolliert worden sein. Das JIT hält beides für falsch.

Die Verantwortlichen

Bislang ist das JIT auf etwa 100 Personen gekommen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Abschuss von MH17 in Verbindung gebracht werden können. Manche haben das Flugabwehrsystem nur transportiert oder begleitet. Andere waren am Abschuss direkt beteiligt. Die Ermittler haben sie anhand von Zeugenaussagen und abgehörten Telefonaten identifiziert. Welche Rolle Einzelpersonen gespielt haben, wird weiterhin untersucht. Nicht alle Identifizierten gelten auch als tatverdächtig.

In den kommenden Monaten wird es nun darum gehen, herauszufinden, wer den Befehl gab, das Buk-System in die Ukraine zu bringen. Besonders wichtig ist auch, wer das Abfeuern der Rakete befohlen hat. Das JIT bittet hier auch die Bevölkerung um Unterstützung, weitere Zeugen sollen sich melden. Wer an dem Abschuss beteiligt war und nun bei den Ermittlungen hilft, kann in der Ukraine mit Strafminderung oder Straferlass rechnen.

Abgehörte Telefonate

Auf einer Website stellt das JIT Mitschnitte von abgehörten Telefonaten zur Verfügung. Wer die Sprechenden sind, ist noch nicht klar. Auch bei der Zuordnung der Stimmen bitten die Ermittler um Mithilfe.

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