Übernahme:Ärger unerwünscht

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Die Bundesregierung würde am liebsten noch vor der Bundestagswahl durchsetzen, dass Lufthansa den Großteil von Air Berlin erhält.

Von Cerstin Gammelin

Ein seltenes Schauspiel ist gerade im Insolvenzverfahren der Fluggesellschaft Air Berlin zu beobachten. Alexander Dobrindt, als Verkehrsminister eigentlich zuständig, ist plötzlich unsichtbar. In die Büsche geschlagen habe sich der Christsoziale, verlautet am Dienstag aus Verhandlungskreisen. Und der Unterton derjenigen, die das sagen, klingt gar nicht einmal unfreundlich. Was darauf schließen lässt, dass sich das Bedauern über seine Abwesenheit in sehr engen Grenzen hält.

Statt des CSU-Verkehrsministers redet jetzt die SPD-Wirtschaftsministerin. "Ich stimme Air-Berlin-Chef Winkelmann zu", sagt Brigitte Zypries am Dienstag, es gehe jetzt bei den Verhandlungen "um Tempo, Tempo, Tempo". Zwar müsse alles solide ablaufen, aber Ziel sollte es sein, "möglichst bald zu einer Lösung zu kommen". Wobei das Wörtchen "bald" intern mit "Anfang, Mitte September" ersetzt wird.

Offiziell sitzt die Bundesregierung gar nicht mit am Tisch, wenn Eigentümer und Interessenten jetzt darüber verhandeln, was aus der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft und ihren Beschäftigten wird. Und doch ist sie ein entscheidender Akteur in den Gesprächen, bei denen es nicht nur um ein deutsches Unternehmen, sondern um Macht und Einfluss im internationalen Luftverkehr geht - und um Millionen Euro an Altschulden.

Und weil es eben um handfeste deutsche Interessen geht, haben es seine Kollegen in der Bundesregierung wenig goutiert, dass ausgerechnet der zuständige Verkehrsminister noch vor Beginn der Verhandlungen vergangene Woche die Karten auf den Tisch gelegt hatte. "Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr", war Dobrindt vorgeprescht, deswegen sei es "dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann". Schließlich befinde sich Deutschland "beim Luftverkehr in einem europäischen und internationalen Marktumfeld, deshalb können Monopolfragen nicht mehr mit der rein regionalen Brille auf einzelne Standorte betrachtet werden". Es waren klare Worte, kein Zweifel. Hilfreich waren sie aus Sicht der Bundesregierung nicht. Dobrindt habe das Kartellamt nervös gemacht, Gesprächspartnern unnötig Einblick in die Verhandlungsstrategie erlaubt und zugleich suggeriert, er wolle Lufthansa bevorzugen. Das galt intern als Fehltritt. Schließlich muss sich die Bundesregierung offiziell neutral verhalten - auch in Wahlkampf-Zeiten, in denen die erfolgreiche Verteidigung Tausender Arbeitsplätze ohne Zweifel Stimmen bringen dürfte.

Die Bundesregierung geht intern nicht davon aus, dass es Zufall war, dass die Großaktionärin der Air Berlin, die arabische Fluggesellschaft Etihad, der deutschen Airline mitten in der Hauptreisezeit, in der auch das politische Berlin urlaubt, die finanzielle Unterstützung entzogen hat - was zwangsläufig zur Insolvenz führen musste. Etihad könnte darauf gehofft haben, dass die Bundesregierung die deutsche Airline in aller Eile mit einem Staatskredit rettet, um den Sommerreiseverkehr mitten im Wahlkampf nicht zu gefährden, heißt es in Berlin. Das Kalkül dahinter: Bei einer Staatsbürgschaft hätte Etihad die Altschulden gleich mit an deutsche Steuerzahler abgeben können.

Doch Berlin reagierte anders. Binnen 72 Stunden wurde ein Alternativplan entwickelt, unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums. Zunächst widerwillig, aber dann doch nachgebend, stimmte das Bundesfinanzministerium einem Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro zu. Das Geld soll nach und nach ausgezahlt werden und dazu dienen, dass die Flugzeuge weiter starten und landen können, bis die Gesellschaft verkauft ist. Lange wird das Geld nicht reichen. Zwei, drei, höchstens vier Wochen sind Zeit, um die Vertragspakete zu unterzeichnen.

Das sind zunächst die Verträge über den Verkauf des Vermögens, insbesondere der Flugzeuge. Man ist optimistisch, dass es bereits in dieser Woche zu einer ersten Einigung kommen könnte - zwischen der Air-Berlin-Tochter Niki und Lufthansa. Das zweite Paket wird zwischen den neuen Eigentümern und den Gewerkschaften verhandelt, es umfasst Arbeitsplätze, Eingruppierungen in Tarife, Sozialpläne. Ist das alles unterzeichnet, muss das Kartellamt prüfen, ob aus wettbewerbsrechtlicher Sicht alles seine Ordnung hat. Weitere sechs bis acht Wochen kann das dauern. Was auch bedeutet, dass selbst im besten Fall erst Ende Oktober der gesamte Verkauf abgewickelt sein kann.

Im Wirtschaftsministerium lässt man keinen Zweifel daran, wie das ideale Ergebnis aussehen soll. Ihr wäre es am liebsten, wenn Lufthansa einen größeren Teil von Air Berlin erwerben könnte, sagt Ministerin Zypries. Die Lösung müsse "wettbewerbsrechtlich abgesichert" sein. Was dechiffriert bedeutet: Lufthansa übernimmt einen Teil des Geschäfts, der Rest geht an andere Bewerber, damit das Kartellamt zufrieden ist. Und auf den Fluren ist zu hören, es könne niemand ernsthaft wollen, dass die oft als prekär kritisierten Arbeitbedingungen etwa der irischen Billigfluglinie Ryanair in Deutschland zum Standard werden. Es ist weitgehend das, was Dobrindt ausposaunt hat. Nur dass es Zypries ist, die es jetzt umsetzt.

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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