Türkei:"Wir lassen nicht locker"

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Staatsminister Michael Roth dringt erneut auf die Freilassung von Deniz Yücel. "Wir empfinden das als eine schwere Belastung der deutsch-türkischen Beziehungen", sagte er.

Von Mike Szymanski , Istanbul

Die Bundesregierung verzeichnet in ihren Bemühungen um die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel kaum Fortschritte. Zwar habe sich die Behandlung des Journalisten in der Haft etwas gebessert. "Aber damit geben wir uns nicht zufrieden. Wir lassen nicht locker", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, am Dienstag bei einem Besuch in Istanbul. Am Nachmittag erhielt erstmals der deutsche Botschafter Martin Erdmann Zugang zu Yücel. Er konnte etwa eine Stunde mit ihm reden und berichtete, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut. Yücel befindet sich seit Monaten in Einzelhaft. Bislang hatte nur der Generalkonsul Yücel treffen können.

Präsident Erdoğan beschuldigte den Journalisten mehrmals, ein deutscher Spion zu sein

"Zufrieden mit der derzeitigen Lage kann ich natürlich nicht sein", sagte Roth. Eine Entspannung im Verhältnis zu Ankara könne er sich nur schwer vorstellen, solange Yücel inhaftiert ist. "Wir empfinden das als eine schwere Belastung der deutsch-türkischen Beziehungen." Solche Besuche zeigten Ankara, dass die deutsche Seite durchaus großes Interesse an einer Normalisierung der Beziehung habe. Die Probleme seien jedoch offenkundig: In der Türkei seien die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Medienfreiheit insgesamt unter Druck geraten. Der Fall Yücel sei nur ein Problem von vielen, sagte Roth. Er erinnerte Ankara, dass man einander brauche. Beispielsweise sei die Türkei weiter an einer Vertiefung der Zollunion mit der EU interessiert. Im Gespräch ist eine Ausweitung von Industriegütern auf den Agrar- und Dienstleistungssektor, dies könnte die türkische Wirtschaft beflügeln. Roth machte aber deutlich, dass ein solcher Schritt "nicht zum Nulltarif" zu haben sei. "Wir sind ja nicht nur eine blutarme Wirtschaftsgemeinschaft. Wir sind eine Wertegemeinschaft und diese Werte müssen von allen, die davon profitieren wollen, auch eingehalten werden", sagte Roth.

Zuletzt hatte sich das deutsch-türkische Verhältnis weiter verschlechtert. Nachdem Ankara am Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei deutschen Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik festhielt, sah sich Berlin gezwungen, die Aufklärungsflieger im Kampf gegen die Terrormiliz IS nach Jordanien zu verlegen. Der Streit gilt als derzeit unauflösbar.

Der 43-jährige Deniz Yücel sitzt seit Februar in Istanbul in Haft. Dem deutsch-türkischen Journalisten werden wegen seiner Artikel zum Kurdenkonflikt und dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli "Terrorpropaganda" und "Volksverhetzung" vorgeworfen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan beschuldigte ihn zudem mehrmals, ein deutscher Spion zu sein. Das Verfahren lässt auf sich warten.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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