Türkei:Türkischer Parlamentspräsident fordert religiöse Verfassung

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"Allah" soll öfter in die Verfassung: Ismail Kahraman will das Laizismus-Gebot aus dem Text entfernen. (Foto: AFP)
  • Der türkische Parlamentspräsident Ismail Kahraman will das Laizismus-Gebot aus der Verfassung streichen lassen.
  • Er fordert eine religiöse Grundlage, das Wort "Allah" solle vorkommen.
  • Ein Parteifreund äußert sich skeptisch zu dem Vorschlag, die Opposition ist empört.

Die Türkei braucht nach Einschätzung ihres Parlamentspräsidenten eine religiöse Verfassung, in der sich das Land nicht länger zum Laizismus verpflichtet. Das Wort "Allah" tauche in der Verfassung kein einziges Mal auf, kritisierte Ismail Kahraman am Montag. "Wir sind ein islamisches Land. Deshalb sollten wir eine religiöse Verfassung schaffen."

Das Laizismus-Gebot, seit der türkischen Staatsgründung in den 1920er Jahren ein Grundpfeiler der Republik, solle abgeschafft werden, sagte Kahraman. Die aus dem Reformflügel einer islamistischen Partei hervorgegangene Regierungspartei AKP bemüht sich seit einiger Zeit um eine neue Verfassung. Das gegenwärtig geltende Grundgesetz stammt aus der Zeit nach dem Militärputsch 1980.

"Laizismus ist das Grundprinzip des sozialen Friedens"

Kritik erntete Kahraman von der größten Oppositionspartei, der streng laizistisch ausgerichteten Republikanischen Volkspartei (CHP). "Laizismus ist das Grundprinzip des sozialen Friedens", twitterte CHP-Chef Kemal Kılıçdaroğlu. Die Trennung von Religion und Staat stelle sicher, dass jeder religiöse Freiheit genieße.

Auch ein Parteifreund Kahramans spricht sich gegen den Vorschlag aus. Mustafa Şentop, Vorsitzender des Verfassungsausschusses im türkischen Parlament und AKP-Parteivize, sagte, die Abkehr vom Prinzip des Laizismus sei kein Thema: "Der Parlamentspräsident spricht nicht für die Partei. Das Problem ist nicht der Laizismus, sondern die richtige Anwendung des Laizismus".

Parlamentspräsident Kahraman ist federführend bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, die nach Angaben der Regierung auf den europäischen Menschenrechtsstandards basieren soll. Die AKP verfügt im Parlament über 317 der 550 Sitze. Um ihren Verfassungsentwurf einem Referendum zu stellen, benötigt sie 330 Stimmen. Kritiker befürchten, dass eine neue Verfassung dem zunehmend autokratisch regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan weitere Befugnisse verleihen könnte.

Die Türkei hatte ihre ursprüngliche Verfassung von 1924 vier Jahre später geändert und den Islam als Staatsreligion gestrichen. Historiker betrachten diesen Schritt als Grundsteinlegung der modernen, demokratischen und laizistischenTürkei.

© SZ.de/rtr/bepe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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