Türkei:Proteste gegen Terror in Ankara

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Wirtschaftsverbände und zivilgesellschaftliche Gruppen demonstrieren gegen Gewalt. Die AKP verliert indes an Rückhalt.

Von Luisa Seeling, München

In der türkischen Hauptstadt Ankara sind am Donnerstagabend Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die zunehmende Gewalt im Land und den Terror der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu demonstrieren. Zu der Großkundgebung hatten Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Gruppen aufgerufen, darunter der mächtige Industriellenverband Tüsiad und sein islamisch-konservatives Pendant Müsiad. "Wir appellieren an alle Bürger, den Terror zu verurteilen", sagte zuvor Rifat Hisarçıklıoğlu, Präsident des Wirtschaftsverbandes Tobb. "Es gibt keine andere Türkei", beschwor er den Zusammenhalt der Nation. Die Teilnehmer waren aufgerufen, türkische Flaggen mitzubringen, Parteifahnen hingegen daheimzulassen.

Viele Kurden blicken mit Skepsis auf die Veranstaltung. Der Vorsitzende der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtaş, sagte vor zwei Tagen, es klinge so, "als ob die Kurden gegen die türkische Flagge vorgingen", aber das sei nicht der Fall. Viele Kurden dürften das Flaggenmeer als bedrohlich empfinden, es erinnert sie an Jahrzehnte der Unterdrückung im Namen staatlicher Einheit. Anfang vergangener Woche war es zudem zu Ausschreitungen in vielen Städten gekommen, bei denen radikale Nationalisten HDP-Büros verwüsteten und kurdische Arbeiter verfolgten.

Nach der Parlamentswahl im Juni hatte die Wirtschaft auf eine Koalitionsregierung gedrungen - aus Sorge, politische Instabilität und ein weiterer Wahlkampf würden die Wirtschaft schwächen. Doch die Gespräche der AKP mit der Opposition scheiterten, Präsident Recep Tayyip Erdoğan setzte Neuwahlen für den 1. November an. Seine Kritiker werfen ihm vor, so das Ergebnis der AKP verbessern zu wollen, die ihre absolute Mehrheit verloren hatte. Er habe das Wiederaufflammen des Kurdenkonflikts billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar befeuert, so Regierungsgegner. Bisher aber kann die AKP nicht profitieren. Nach aktuellen Umfragen hat sie seit Juni an Zustimmung verloren und liegt bei 38 Prozent oder sogar darunter. Würde jetzt gewählt, wäre sogar eine Koalition aus den beiden Oppositionsparteien MHP und CHP denkbar.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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