Türkei:Offene Tür

Die EU sollte den Beitrittsprozess nicht beenden.

Von Daniel Brössler

Die Frage, ob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit seiner aggressiven Politik gegenüber den Kurden im Land den europäischen Aussichten seines Landes schadet, ist fast eine philosophische. Kann Erdoğan einer Sache schaden, die er längst zerstört hat? Offiziell ist die Türkei EU-Beitrittskandidat. Seit 2005 wird verhandelt. 16 Verhandlungskapitel wurden eröffnet, wenngleich - auch wegen des Zypern-Streits - ohne Aussicht, dass nur ein einziges davon in absehbarer Zeit abgeschlossen werden könnte. Doch darauf kommt es gar nicht mehr an. Schon bevor Erdoğan den Friedensprozess mit der PKK für beendet erklärt und bevor die unseligen Ermittlungen gegen die Kurdenpartei HDP begonnen haben, war klar, dass mit Edoğan kein im Sinne der EU demokratischer Staat zu machen ist.

Die Europäische Union muss die Entwicklung in der Türkei zur Kenntnis nehmen und scharf kritisieren. Sie hat ein besonderes Recht dazu, weil die Türkei offiziell immer noch die Aufnahme in die EU anstrebt. Nicht erliegen aber sollte sie dem Druck jener, die von einem Beitritt des muslimischen Landes ohnehin nie etwas gehalten haben. Wahr ist, dass sich die Türkei von der EU sehr weit entfernt hat. Es bedarf keiner dramatisch ins Werk gesetzten Beendigung des Beitrittsprozesses, um das festzustellen.

Die EU sollte den türkischen Weg nach Europa nicht versperren. Dann bleibt es Sache der Türken, ob sie ihn eines Tages doch wieder einschlagen wollen.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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