Türkei:Meşale Tolu bleibt in Haft

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Zum Prozessauftakt demonstrierten Unterstützer für Tolus Freilassung. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Beim Prozessauftakt in der Türkei weist die deutsche Journalistin Tolu Terrorvorwürfe zurück und kritisiert die Umstände ihrer Verhaftung.

Die in der Türkei inhaftierte deutsche Journalistin Meşale Tolu hat vor dem Gericht in Silivri bei Istanbul die gegen sie erhobenen Terrorvorwürfe zurückgewiesen. "Ich fordere meine Freilassung und meinen Freispruch", sagte Tolu am Mittwoch, dem ersten Verhandlungstag. "Ich habe keine der genannten Straftaten begangen und habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen." Tolu gehört zu 18 Angeklagten, denen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) vorgeworfen werden. Der Deutschen drohen nach Angaben ihrer Anwältin Kader Tonç bis zu 20 Jahre Haft.

Das Gericht entschied Mittwochabend, Tolus Untersuchungshaft nicht aufzuheben und setzte eine weitere Anhörung für den 18. Dezember an. Acht andere Angeklagte wurden indes entlassen, dürfen das Land aber bis zum Prozessende nicht verlassen. In ihrer Anhörung hatte Tolu zuvor kritisiert, dass sie seit mehr als fünf Monaten ohne Urteil festgehalten werde. Auch ihr Ehemann sei in Untersuchungshaft. "Deswegen lebt mein Sohn, der eigentlich in den Kindergarten gehen müsste, seit fünf Monaten mit mir im Gefängnis", sagte sie. "Aus diesem Grund ist die Untersuchungshaft nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie und für meinen Sohn zur Bestrafung geworden."

Der zweijährige Sohn lebt mit der Mutter im Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakırköy. Die aus Ulm stammende Deutsche kritisierte die Umstände ihrer Festnahme am 30. April, als Anti-Terror-Polizisten ihre Wohnung in Istanbul stürmten. "Die Spezialeinheit der Polizei hat nicht nur die Waffe auf meinen Sohn gerichtet, sondern sie haben mich auch noch vor den Augen meines Kindes gewaltsam festgenommen." Tolu arbeitet als Journalistin und Übersetzerin für die linke Nachrichtenagentur Etha, die in der Türkei nicht verboten, deren Website aber seit einiger Zeit behördlich gesperrt ist. Die Anklage stützt sich auf die Teilnahme Tolus an vier Veranstaltungen und auf den Fund einer Zeitschrift, die die Staatsanwaltschaft als Propagandamaterial wertet. Tolu sagte, die Veranstaltungen seien weder verboten noch von der Polizei aufgelöst worden. Bei dem angeblichen Propagandamaterial habe es sich um eine legale Zeitschrift gehandelt, die "in jeder Buchhandlung" verkauft werde. Sie kritisierte, seit dem Putschversuch im Juli vergangenen Jahres sei die Pressefreiheit in der Türkei stark eingeschränkt worden.

Tolus Vater Ali Rıza Tolu sagte der Agentur dpa am Rande des Prozesses, während des Verfahrens in Silivri sei der zweijährige Sohn seiner Tochter bei Freunden untergebracht. "Wir haben ihn am Montag abgeholt. Freunde von uns passen auf ihn auf." Der Vater wertete den Prozess gegen seine Tochter als Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken. "Die wollen die Presse verhaften, nicht meine Tochter. Sie ist eine Journalistin, keine Mörderin."

In einem anderen Fall fällte ein türkisches Gericht in dieser Woche ein Urteil: Eine Reporterin des Wall Street Journal wurde in Abwesenheit wegen Terrorpropaganda zu zwei Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Wie die US-Zeitung am Dienstagabend berichtete, wurde Ayla Albayrak wegen eines Artikels aus dem Jahr 2015 über den Konflikt zwischen der Regierung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verurteilt. Alybarak hat die finnische und türkische Staatsbürgerschaft, hält sich ihrer Zeitung zufolge derzeit in New York auf. Das Urteil gegen Albayrak ist eine weitere Belastung für die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei. Beide Länder hatten Anfang der Woche gegenseitig die Visavergaben ausgesetzt.

© SZ vom 12.10.2017 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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