Türkei:Kein Geiz

Die EU sollte Ankara entgegenkommen, auch beim Geld.

Von Daniel Brössler

Widersprüche gibt es viele im Verhältnis zwischen EU und der Türkei. Gerade aber treiben beide Seiten diese Widersprüche auf die Spitze. Soeben haben die Staats- und Regierungschefs der EU erklärt, der Beitrittsprozess mit der Türkei müsse "mit neuer Energie" weitergeführt werden. Zugleich ist die Türkei von der Erfüllung der Kriterien für eine Aufnahme so weit entfernt wie lange nicht. Der vornehm zurückgehaltene Fortschrittsbericht bestätigt das: Polizei, Justiz, Medienfreiheit - in keinem dieser Bereiche nähert sich die Türkei den EU-Standards an. In Wahrheit glaubt weder in Ankara noch in Brüssel jemand an eine türkische EU-Mitgliedschaft in mittlerer Frist. Doch darum geht es nicht. Die EU schreit um Hilfe in der Flüchtlingskrise - und Präsident Recep Tayyip Erdoğan nennt seinen Preis.

Die EU muss nun das finden, was in der Not am schwierigsten ist: das richtige Maß. Der Versuch, Erdoğans Durst nach Anerkennung zu stillen, darf nicht zu einem unbegrenzten Rabatt auf europäische Werte führen. In vielen Punkten aber ist ein Entgegenkommen möglich, etwa bei Einreiseerleichterungen für Türken, durch die im Übrigen tatsächlich etwas für die Annäherung zwischen Türken und Europäern getan würde.

Zuallerletzt sollte der Deal mit Erdoğan am Geld scheitern. Für echte Entlastung wären auch die von Erdoğan geforderten drei Milliarden Euro keine zu hohe Summe. Geiz können sich die Europäer schlicht nicht leisten.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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