Türkei:Hoffnung für Deniz Yücel

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Der seit einem Jahr in Istanbul inhaftierte deutsche Journalist könnte bald freikommen, das deutet der türkische Premier Yıldırım an. Er will im Verhältnis zur Bundesrepublik "eine neue Seite" aufschlagen.

Von Christiane Schlötzer und Mike Szymanski, München/Belgrad

Ein Jahr nach der Festnahme von Deniz Yücel in Istanbul gibt es erstmals konkrete Anzeichen, dass der deutsch-türkische Journalist bald freikommen könnte. "Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelassen wird", sagte der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım den ARD-Tagesthemen vor einem für diesen Donnerstag geplanten Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin.

Ähnlich zuversichtlich äußerte sich auch der amtierende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Bei einem Besuch in Belgrad sagte Gabriel am Mittwoch, er rechne mit einer baldigen Gerichtsentscheidung im Fall Yücel, und er hoffe, dass sie positiv ausgehe. "Wir haben alles dafür getan in den letzten Tagen und Wochen, durch persönliche Gespräche das Verfahren zu beschleunigen", sagte Gabriel. Er berichtete, er habe wegen des Falles mehrmals mit seinem Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu gesprochen.

Yücel, 44, befand sich am Mittwoch genau ein Jahr ohne Anklage in türkischer Untersuchungshaft. Seine Festnahme und die anderer Deutscher in Istanbul hat die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Yıldırım warb jetzt dafür, "eine neue Seite" aufzuschlagen. Er sagte, man solle, "die Vergangenheit vergessen, in die Zukunft blicken und unsere Beziehungen noch weiter ausbauen". Mit Merkel wolle er "alle Themen ohne Zensur besprechen".

Der Türkei-Korrespondent der Welt ist inzwischen der prominenteste deutsche Häftling in der Türkei. Nach Angaben des Auswärtigen Amts sitzen insgesamt noch sechs Deutsche aus politischen Gründen in türkischen Gefängnissen, weitere Namen neben dem Yücels werden aber nicht genannt. Der Berliner Menschenrechtler Steudtner und die Journalistin Tolu kamen nach mehreren Monaten Haft wieder frei, beide nach Gerichtsprozessen.

Die Erwartung, es könnte auch im Fall Yücel nun endlich zu einem Verfahren kommen, nährt daher die Hoffnungen auf eine rasche Lösung des Falles. Yıldırım sagte, "wenigstens wird er vor Gericht erscheinen und jede Verhandlung ist eine Chance, dass er freikommt". Der AKP-Politiker betonte, die Türkei sei "ein Rechtsstaat".

Laut Haftbefehl wird Yücel "Terrorpropaganda" und "Volksverhetzung" vorgeworfen, als "Beweise" sollen seine Artikel dienen. Gleichlautende Vorwürfe werden gegen die meisten der mehr als 100 inhaftierten türkischen Journalisten erhoben.

Bereits Anfang Januar hatte Ankara eine Beschleunigung im Fall Yücel zugesagt, danach war jedoch keine Bewegung zu erkennen. Hinter den Kulissen gingen die Bemühungen aber offenbar weiter. Darauf deuten die Äußerungen Gabriels hin.

Mit Skepsis reagierte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) auf Yıldırıms Aussagen. Die türkische Justiz sei nicht unabhängig "von Erdoğans autokratischem Regime", sagte Roth dem NDR.

In Ankara wollte der deutsche Botschafter Martin Erdmann am Mittwoch den Prozess gegen den seit November 2016 inhaftierten Chef der Kurden-Partei HDP beobachten, Selahattin Demirtaș. Ihm wurde jedoch der Zugang zum Gericht verweigert, twitterte die Botschaft.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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