Türkei:"Hafen für Terroristen"

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Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan attackiert Deutschland heftig. Es schütze angeblich nicht nur Terroristen der PKK, sondern auch Gülen-Anhänger.

Von Luisa Seeling, München

Der türkische Präsident wirft Deutschland vor, sich zum "wichtigen Hafen für Terroristen" entwickelt zu haben. Das Land biete militanten Unterstützern der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der linksradikalen Gruppierung DHKP-C Unterschlupf, sagte Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag bei einer Feier in seinem Palast in Ankara. Beiden Organisationen werden Terrorattacken in der Türkei zur Last gelegt, bei denen Polizisten, Militärangehörige und Zivilisten ums Leben kamen. Zudem sei Deutschland ein Rückzugsort für die Gülen-Bewegung. "Hey Deutschland, sei dir bewusst, dass diese Terrorplage euch wie ein Bumerang treffen wird", sagte Erdoğan. "Wir machen uns Sorgen um eure Haltung. Im Moment öffnet ihr dem Terror die Tür." Die Zukunft Deutschlands sehe er "nicht positiv".

Schon häufiger haben türkische Politiker beklagt, dass in einigen EU-Ländern zu wenig gegen Anhänger der PKK unternommen werde - allerdings ist die PKK in Deutschland verboten und steht in der EU auf der Liste der Terrororganisationen. Nun ist der Vorwurf hinzugekommen, Gülen-Anhänger zu schützen. In Deutschland gibt es mehrere Tausend Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, der seit Ende der 90er-Jahre im Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania lebt. Die türkische Regierung wirft ihm vor, der Drahtzieher des gescheiterten Militärputschs vom 15. Juli zu sein. In der Türkei wurden seit dem Putschversuch Zehntausende mutmaßliche Sympathisanten Gülens aus dem Staatsdienst entfernt und Tausende festgenommen. Zwischen Erdoğan und Gülen gab es über Jahre eine Art Zweckbündnis, das 2013 zerbrach; seither gilt die Gülen-Bewegung in der Türkei als Terrororganisation.

Erdoğans Äußerungen sind auch als Antwort auf die Kritik der Bundesregierung am Vorgehen gegen die regierungskritische Zeitung Cumhuriyet zu verstehen. Am Montag hatte die türkische Polizei ein Dutzend Cumhuriyet-Redakteure wegen des Vorwurfs der Terrorunterstützung festgenommen. Berlin reagierte zunächst zurückhaltend, man sei "besorgt", sagte ein Sprecher der Kanzlerin. Der frühere Chefredakteur der Cumhuriyet, Can Dündar, kritisierte diese Haltung als "schwach", Grünen-Chef Cem Özdemir sprach von "falscher Rücksichtnahme". Am Mittwoch nannte Angela Merkel die Vorgänge in der Türkei dann "höchst alarmierend".

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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