Türkei:Erdoğans Opposition

Mehr Macht geht nicht. Geht der Präsident deshalb jetzt auf die anderen Parteien zu? Nur einer weiß die Antwort.

Von Mike Szymanski

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan steckt der Putschversuch in den Knochen, aber nicht nur ihm. Jeder in der Opposition weiß, was es bedeuten würde, wenn das Militär die Macht übernommen hätte. Parteien wäre verboten worden, ihre Vorsitzenden womöglich ins Gefängnis gewandert. Der Putsch von 1980 ist noch nicht so lange her, als dass die Türken schon alles vergessen hätten.

Es ist dieser Schrecken, der am Sonntag zu einem bemerkenswerten Auftritt in Istanbul geführt hat. Erdoğan und seine Gegner teilen sich die Bühne für eine Demokratiekundgebung. Es klingt fast zu schön. Kann man dieser Versöhnungsgeste auch trauen? Das hängt allein von Erdoğan ab. Die Kemalisten der CHP und die Rechtsnationalisten der MHP sind einen großen Schritt auf den Präsidenten zugegangen. Wäre Erdoğan nicht zugleich so kleinlich und kleinmütig, hätte er auch die prokurdische Partei HDP zu sich auf die Bühne gebeten. Dann wäre das Signal vom Neuanfang in der türkischen Innenpolitik perfekt. Man freut sich aber schon über alles, was diesem Land ein bisschen Frieden verspricht.

Nun ist Erdoğan an der Reihe. Es genügt nicht, Beleidigungsklagen gegen Oppositionspolitiker zurückzuziehen. Wer der Mächtigste im Staat ist, das hat nun auch der gescheiterte Putsch gezeigt. Wenn Erdoğan Frieden will, zieht er seine Pläne für den Umbau zum Präsidialsystem zurück. Mehr Macht braucht er nicht.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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