Türkei:Einladung an Gegängelte

Es ist richtig, wenn die Bundesregierung der türkischen Opposition politisches Asyl anbietet. Damit sendet Berlin nicht nur ein Signal an Erdoğan, sondern auch an seine Kritiker.

Von Bernd Kastner

Man darf sich freuen, auch wenn die Umstände fürchterlich sind. Die Türkei entwickelt sich täglich mehr zu einem Unrechtsstaat, Präsident Erdoğan nutzt den gescheiterten Putsch, um Kritiker mundtot zu machen, nicht nur Oppositionspolitiker und Journalisten. Zu Tausenden sitzen sie in den Gefängnissen, und ob sie je einen fairen Prozess bekommen, ist mehr als fraglich.

Vor diesem Hintergrund ist die Freude eine bittere, aber immerhin, denn die Bundesregierung macht eine klare Ansage: Deutschland steht allen politisch Verfolgten offen. Michael Roth, der SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, gibt nicht nur Artikel 16 a des Grundgesetzes wieder, er lädt die Verfolgten geradezu ein und sendet damit klare Signale in die Türkei, an die Regierung und an die von ihr Gegängelten. Gewiss, Erdoğan wird es nicht beeindrucken, dass Berlin ihn als Unterdrücker brandmarkt. Umso wichtiger ist die Botschaft an seine Kritiker: Wir stehen an eurer Seite! Diese Solidarität ist so notwendig wie erfreulich.

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. So schlicht ist dieser Satz und so großartig. Der "Asylkompromiss" von 1993 hat ihn massiv beschnitten, aber sein Kern hat überlebt. Deutschland darf sich glücklich schätzen, diesen Satz in der Verfassung stehen zu haben, er ist ein Ausweis des Rechtsstaates. Und für Erdoğans Kritiker ist er Ansporn, nicht nachzulassen im Kampf für die Menschenrechte.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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