Türkei:Ein Land, zwei Gesichter

Im Verhältnis zu Deutschland und der EU setzt die Regierung in Ankara auf Entspannung. Innenpolitisch bleibt sie autoritär.

Von Luisa Seeling

Die Türkei versucht sich derzeit am Spagat. Außenpolitisch setzt Ankara auf eine Wiederannäherung an Europa. Besuche türkischer Politiker in Deutschland und Frankreich, versöhnliche Töne - all das zeigt, dass das Land nicht verzichten will auf seinen wichtigsten Handelspartner, die EU.

Aber das Tauwetter im Äußeren kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich innenpolitisch nichts tut, jedenfalls nichts Gutes. Keine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit, keine Abkehr von der Notstandsgesetzgebung. Gerade hat die Regierung den Ausnahmezustand verlängert. Das Parlament ist de facto entmachtet - für wie lange, weiß kein Mensch. Bei der Justiz sieht es nicht besser aus. Der Druck auf Richter und Staatsanwälte, gegen Regierungsgegner vorzugehen, bleibt hoch. Als das Verfassungsgericht die Freilassung zweier Journalisten anordnete, widersprach der Vizepremier per Twitter.

Für Europa ist die Annäherung zwiespältig. Man will den Dialog, die Türkei ist strategisch zu wichtig, um sie abzuschreiben. Aber Brüssel und Berlin haben es mit einem Partner zu tun, der sich nicht mehr um demokratische Normen schert. Der zwar davon redet, den EU-Beitrittsprozess wiederbeleben zu wollen, aber nichts dafür tut. Ja, es zeichnet sich eine Entspannung im Verhältnis zur EU ab. Gut möglich, dass damit die Chance des Journalisten Deniz Yücel steigt, aus der Haft freizukommen. Aber für viele andere, die in türkischen Gefängnissen sitzen, ändert sich vorläufig wohl nichts.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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