Türkei:Bewegung im Fall Yücel

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Beobachter rechnen mit baldiger Anklage gegen den inhaftierten Journalisten, dem Ankara "Terrorpropaganda" vorwirft.

Von Christiane Schlötzer, München

MünchenSeit bald elf Monaten ist der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel in der Türkei in Haft, nun könnte es erstmals Bewegung geben. Er sei "auch nicht sehr glücklich" darüber, dass es im Fall Yücel "noch immer keine Anklage gibt", hatte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zum Jahreswechsel in einem dpa-Interview gesagt. Und: Man habe deshalb die Justiz "ermutigt", den Prozess zu beschleunigen. Das erinnert den Istanbuler Anwalt Murat Deha Boduroğlu an das Vorgehen im Fall Peter Steudtner. "Vermutlich wird es nun bald eine Anklageschrift gegen Yücel geben", sagte Boduroğlu am Dienstag der Süddeutschen Zeitung. Boduroğlu war Steudtners Anwalt.

Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner saß 2017 in der Türkei drei Monate ohne Anklage in Haft; nach heftigem Druck aus Berlin hatte Çavuşoğlu dann im Oktober im Spiegel erklärt, er habe die Justiz um "Beschleunigung" des Verfahrens gebeten. Unmittelbar danach wurde eine Anklage veröffentlicht, und es kam rasch in Istanbul zum Prozess. Steudtner wurde zwar nicht freigesprochen, aber aus der Untersuchungshaft entlassen und konnte Ende Oktober ausreisen. Boduroğlu ist nicht Yücels Anwalt, aber er hat den Welt-Journalisten immer wieder im Gefängnis von Silivri besucht, zuletzt vor zwei Wochen. "Yücel ist ein sehr starker Mensch", sagt er.

Als "Hoffnungszeichen" werten Beobachter in der Türkei auch den Hinweis Çavuşoğlus auf den Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in Straßburg. Dort liegt seit April vergangenen Jahres eine Beschwerde Yücels gegen seine Untersuchungshaft. Eine Entscheidung des EGMR in dem Fall werde die Türkei umsetzen, sagte Çavuşoğlu. Wann der Gerichtshof entscheidet, ist offen; es ist nicht sicher, ob das Gericht überhaupt in der Sache entscheidet oder die Beschwerde als unzulässig abweist, weil der Rechtsweg in der Türkei noch nicht ausgeschöpft ist. Dies dürfte davon abhängen, wie der EGMR den Zustand der türkischen Justiz beurteilt. Das gibt dem Fall politische Bedeutung.

Die Türkei hatte sich mit ihrer Stellungnahme an das Gericht bis zum letztmöglichen Tag Zeit gelassen und sie erst am 28. November eingereicht. Darin wirft sie dem 44-jährigen Journalisten "Terrorpropaganda" vor. Sie stützt sich dabei auf Auszüge aus Yücels Texten, darunter ein Interview mit einem führenden Mitglied der verbotenen kurdischen PKK. Çavuşoğlu aber behauptete in dem dpa-Interview nun, Yücel sei gar "nicht wegen Journalismus inhaftiert".

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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