Türkei:AKP will islamische Verfassung

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Der türkische Parlamentspräsident macht einen Vorschlag, der die Opposition empört. Er regt an, die Trennung von Staat und Religion aufzuheben - und damit mit dem Erbe von Atatürk zu brechen.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Der türkische Parlamentspräsident İsmail Kahraman rüttelt an den Grundfesten der türkischen Republik. Der Politiker der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP forderte am Montagabend ein Ende der Trennung zwischen Staat und Religion, die auf Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk zurückgeht und in der Verfassung festgeschrieben ist. Kahraman sagte: "Wir sind ein islamisches Land. Deshalb sollten wir eine religiöse Verfassung schaffen."

Die AKP-Regierung hat angekündigt, die Verfassung des Landes ändern zu wollen. Das Grundgesetz trägt noch den Geist des Militärputsches von 1980 und gilt deshalb parteiübergreifend als reformbedürftig. Die AKP will allerdings die Gelegenheit zu einem grundlegenden Umbau des Landes nutzen. Geht es nach Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, soll ein Präsidialsystem eingeführt werden, das ihm viel mehr Macht zubilligt. Die Pläne sind umstritten. Nun will Kahraman, der federführend bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung ist, mit dem Erbe Atatürks brechen. "Warum sollten wir als ein muslimisches Land uns von der Religion zurückziehen?", sagte der Politiker und löste mit seinem Vorstoß Protest aus. Sein Parteikollege Mustafa Şentop, Leiter der Verfassungskommission, wies dies zurück. Im neuen Entwurf werde der Säkularismus als Grundsatz beibehalten, sagte er. Innerhalb der AKP sei eine Änderung kein Thema. "Der Parlamentspräsident ist unabhängig, er spricht nicht im Namen einer Partei", fügte Sentop hinzu.

Die größte Oppositionspartei, die säkulare Atatürk-Partei CHP, kritisierte den Vorstoß. "Säkularismus ist das Grundprinzip des sozialen Friedens", schrieb CHP-Chef Kemal Kılıçdaroğlu auf Twitter. Vor dem Parlament in Ankara protestierten Demonstranten gegen die Äußerungen Kahramans. Die CSU sieht sogar die Meinungsfreiheit von Urlaubern in der Türkei bedroht. Generalsekretär Andreas Scheuer verwies am Dienstag auf die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes, in denen die Bundesregierung dringend dazu mahnt, sich in der Türkei mit politischen Äußerungen zurückzuhalten.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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