Tschechien:Die Krise geht weiter

Ein Betrugsprozess, der nicht beginnt, eine Koalition, die nicht zustande kommt und eine Vertrauensabstimmung vor dem Scheitern. Unter dem neuen Premier steht Prag still.

Von Florian Hassel, Warschau

In Tschechien hält die politische Ungewissheit an. Ministerpräsident Andrej Babiš stellte am Mittwoch im Parlament die von der Verfassung vorgeschriebene Vertrauensfrage - die eigentlich geplante Abstimmung aber platzte. Babiš kann nur auf die Stimmen der 78 Abgeordneten seiner Ano-Partei zählen, zu wenig für eine Mehrheit der 200 Parlamentarier. Zwar hat die Ano-Partei die Parlamentswahl Ende Oktober 2017 klar gewonnen, sie braucht aber einen Koalitionspartner. Dies verweigern bisher alle anderen acht Parteien. Denn Milliardär Babiš ist wegen des Verdachts auf millionenschweren Betrug angeklagt. Er und einige Vertraute sollen 2007 ihre Eigentümerschaft an einer Firma verschleiert haben, um umgerechnet knapp zwei Millionen Euro Subventionen der EU zu bekommen, die ihnen nicht zustanden. Damit ein Prozess beginnen kann, muss das Parlament Babiš' Immunität aufheben. Weil der zuständige Ausschuss eine dafür notwendige Abstimmung verzögerte, verschob das Parlament alle Entscheidungen über die Zukunft des Regierungschefs auf nächsten Dienstag.

Eine wichtige Rolle spielt Staatspräsident Miloš Zeman. Der Präsident ernannte Babiš trotz vorliegender Anklage zum Ministerpräsidenten - Zeman hofft im Gegenzug auf Unterstützung bei der Präsidentenwahl an diesem Freitag und Samstag. Am Mittwoch sagte Zeman im Parlament, er werde Babiš auch nach verlorenem Misstrauensvotum ein zweites Mal als Regierungschef vorschlagen, Babiš müsse dann allerdings die schriftliche Zustimmung von mindestens 101 Abgeordneten vorweisen. Es gibt dennoch eine Chance für Babiš: Im Falle eines neuerlichen Misstrauensvotums könnte der Präsident das Parlament auflösen und eine Neuwahl anordnen. In diesem Fall müssten mehrere kleine Parteien um ihren Wiedereinzug bangen - und es letztlich vorziehen, doch mit Babiš zu koalieren.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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