Trump und Kim:Illusionstheater

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Während sich Donald Trump als großer Dealmaker inszeniert, profitiert vor allem Nordkoreas Diktator von dem Treffen in Singapur. Dafür hat er den US-Präsidenten geschickt eingespannt.

Von Stefan Kornelius

Am Ende bleibt der Glaube, dass aus den Worten Taten werden, dass Nordkorea nuklear abrüstet und seine Bedrohlichkeit für die Welt verliert. Mehr als den Glauben daran gibt es nicht. Auch nicht für den US-Präsidenten. Aber für ihn ist der Glaube alles. Er glaubt an seinen Erfolg, er glaubt an sein Bauchgefühl, an seine Großartigkeit als Verhandler.

Ob das Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un nun historisch oder hysterisch war, ist fast schon zweitrangig. Entscheidend ist, dass die außenpolitische Woche des US-Präsidenten eine politische Methode und eine Weltsicht offenbart haben, die das Gruseln lehren. Aufschluss über Trumps Welt und den Zustand der amerikanischen Regierung gibt nicht nur das dürre Kommuniqué von Singapur. Aufschluss gibt die Pressekonferenz, die fast länger gedauert hat als das direkte Gespräch der beiden.

Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung des US-Präsidenten zeugen von einer gefährlichen Infantilität. Aus Trumps Mund ergießt sich ein Strom von wirren Deutungen und Dummheiten: Xi Jinping ist jetzt wieder sein Freund, Justin Trudeau nicht mehr; Kim hat er nach einer Stunde verstanden; Nordkorea bietet tolle Strände für den Bau von Hotels - "betrachten Sie es aus einer Immobilien-Perspektive". Von den internen G-7-Gesprächen wird glaubwürdig berichtet, dass der Präsident zusammenhanglos und bar jeder Faktenkenntnis spreche, derweil seine Hintersassen die Kim-Truppe an Servilität locker überbieten.

Was also hat Singapur gebracht? Nicht viel für die USA, außer Hoffnung und interessanten Bildern. Weder gibt es einen konkreten Abrüstungsplan (das Kommuniqué spricht lediglich von einem "ungebrochenen und festen Bekenntnis"), noch werden die Werkzeuge der Verifikation festgelegt. Entgegen den Vorabsprachen mit der südkoreanischen Regierung will Trump die Militärmanöver einstellen. Das ist ein absonderlich einseitiges Zugeständnis gegenüber einem Land, das in Selbstverständnis und Propaganda vor allem als Militärmacht existiert.

Die USA erhalten keine Zusagen aus Nordkorea und ersetzen Politik durch Gefühl

Kim wird keine Gulags schließen, und überhaupt wurde er nicht bedrängt in Sachen Menschenrechte. Den US-Präsidenten nannte man einst den Anführer der freien Welt. Jetzt ist er der Intendant eines Illusionstheaters.

Hingegen hat Kim auf seinem Haben-Zettel einiges vorzuweisen. Das wichtigste Ergebnis dieses sogenannten Verhandlungsprozesses der letzten Monate ist die komplette Revision des Bildes Nordkoreas in der Welt, ohne dass er dafür einen substanziellen Preis zahlen musste. Kim wird auf Singapurs Straßen bejubelt wie ein Rockstar, der kleine, dicke Raketenmann ist plötzlich ein kluger Staatslenker.

Amerikas unbezahlbare Konzession war, dass dieses Treffen überhaupt stattfand. Zweimal in der Vergangenheit hatten US-Präsidenten Abrüstungszusagen aus Nordkorea erhalten. Zweimal wurden die Zusagen gebrochen. Der junge Kim hat nun geschickt die Wahrnehmung seines Landes gedreht und für diesen Zweck einen naiven und narzisstischen US-Präsidenten kunstvoll eingespannt.

Wer kann das Ziel dieser Annäherung erkennen? Wer will nun eigentlich noch die Sanktionen gegen Nordkorea aufrechterhalten? Wer eigentlich ist stark und wer ist schwach in diesem Spiel? Wer sind Amerikas Freunde, wer sind die Feinde? Die Illusion ist nahezu perfekt. Und Nordkorea ist aus seiner diplomatischen Isolation entkommen, wo es eigentlich immer noch hingehört, zumindest so lange noch, bis ein ernst zu nehmender Kurswechsel des Regimes im Inneren und im Umgang mit seinem Bedrohungsarsenal wahrgenommen werden kann.

Überall auf der Welt wächst die Zahl der Menschen, die Trumps Methode für hohe Politik und für erfolgreich halten. Hier liegt der eigentliche Schaden, den so ein "Gipfel" anrichtet. So wie Trump über die Handelsverhältnisse mit seinen europäischen Verbündeten die Unwahrheit sagt, so sagt er auch nach dem Treffen mit Kim die Unwahrheit. Spektakuläre Bilder und die stupide wiederholte Formel vom "großartigen Erfolg" bilden das Szenengerüst für das Illusionstheater. Aber Vorsicht: Die Vorspiegelung von Politik ersetzt nicht die eigentliche Tat, die so unendlich viel mühsamer ist.

China, Südkorea und so viele andere werden die Show von Singapur mit Horror verfolgt haben. Die USA sind nach dem G-7-Desaster vollends zur unberechenbaren Nation verkommen. Präsident Trump führt eine Willkürregierung, die sich offenbar besonders gut mit anderen Willkür-regimen versteht. Exakt wegen dieser Paarung entfaltete Singapur seine gruselige Faszination.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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