Trauer um Frau von Altkanzler:Loki Schmidt - die Frau fürs Leben

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In der Nacht zum Donnerstag endete eine der größten Liebesgeschichten unserer Zeit. Zum Tode von Loki Schmidt - die Deutschland stärker prägte, als es ihr vorherbestimmt war.

Ralf Wiegand

Für einen Moment schien es so, als würde das Leben der beiden doch weiter gehen wie immer, mit Terminen und Pflichten. Am Donnerstagmorgen war Helmut Schmidt, 91, aus Berlin zurückgekehrt, am Abend wollte er an der Verleihung des Helmut-Schmidt-Journalistenpreises teilnehmen. Auf den Eintrittskarten für das Grandhotel Atlantic war ein Gespräch des Altkanzlers mit Zeit-Herausgeber Theo Sommer angekündigt. Er traut sich wieder raus, dachte man; es geht seiner Frau Loki Schmidt wohl besser, das hoffte man.

Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) mit seiner Frau Loki am Strand der amerikanischen Ferieninsel Sannibel Island (Bild aus dem Jahr 1981). Das Paar war fast 70 Jahre lang verheiratet. (Foto: dapd)

Sie hatte sich einfach nicht erholen wollen von einer Operation, die notwendig geworden war, nachdem sie sich den Fuß gebrochen hatte, am 23. September, bei einem Sturz. Die Sorge um Loki Schmidt war groß, ihr Mann hatte lange Zeit keine Termine mehr angenommen, eine Reise nach China abgesagt. Die einzige Tochter war aus London angereist, Susanne, weil die Mutter nicht mehr auf Ansprache reagierte. Die Verlegung aus der Asklepios-Klinik Nord nach Hause sollte ihr helfen, noch einmal ins Leben zurückzufinden. Zwei Wochen ist das her. Vielleicht würde es ja gut aus gehen, auch diesmal wieder. So viel hat Loki Schmidt schon überstanden, und so alt ist sie doch geworden. 91 Jahre.

Am Nachmittag aber kam die Meldung, dass Loki Schmidt gestorben ist, und bald darauf bestätigte das Büro von Helmut Schmidt die Nachricht. Ihre Tochter sei bei ihr gewesen.

Was da zu Ende ging, in der Nacht zu Donnerstag, ohne ihren Mann Helmut, war nicht nur das Leben einer starken, engagierten, einer herzensguten Frau, die nie Politikerin war, aber ohne die Politik anders verlaufen wäre, vielleicht sogar die Geschichte dieses Landes. Was zu Ende ging, war eine der größten Liebesgeschichten unserer Zeit, unserer und der unserer Eltern und unserer Großeltern. Loki und Helmut Schmidt wären 2012, im Juni, 70 Jahre miteinander verheiratet gewesen. Sie kannten sich, seit sie mit zehn Jahren Kirschen um die Wette gegessen hatten. Freunde seien sie erst gewesen, sagte Helmut Schmidt einmal, "verlässliche Freunde", und dann sei eine tiefe Liebe daraus geworden.

Wer könnte den Verlust ermessen, den der Alt-Bundeskanzler erlitten hat. Wenn zwei Leben miteinander verschmelzen konnten, dann diese.

Helmut und Hannelore, so hieß sie ja, die alle Loki riefen, die Frau des Kanzlers. Nach ihnen folgten wieder Helmut und Hannelore, die Kohls, ins Amt des Kanzlers und eine Frau in die Rolle der Kanzlergattin. Am Leben und Sterben von Hannelore Kohl mag man ermessen, welche Last es sein kann, die Frau an der Seite eines mächtigen Mannes zu sein, die Frau im Schatten. Auch Loki Schmidt hat einmal gesagt, es seien "harte Jahre" gewesen. Aber sie hat sich nicht erdrücken lassen. Ihre eigenen Spuren in der Geschichte sind tief genug, und sie gehören ihr, der Ehrenbürgerin der Freien und Hansestadt Hamburg, der Naturschützerin, der Buchautorin.

Zum Tod von Hannelore Schmidt
:Schnittchen mit Loki

Hannelore rauchte ihre erste Zigarette gemeinsam mit Helmut Schmidt - seitdem war sie aus dem Leben des späteren Kanzlers nicht mehr wegzudenken. Bis zuletzt stand Loki Schmidt an der Seite ihres Mannes in der Öffentlichkeit.

in Bildern.

Das jüngste Buch, das erst kürzlich erschienen ist, ist jetzt eine Art Vermächtnis. Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde heißt es, darin erzählt sie über die Jahre in Glanz und Gloria, die sie geprägt haben, die sie nervös gemacht haben, "das muss ich schon zugeben", in denen sie nicht hatte aus dem Rahmen fallen wollen. "Man wollte sich passend benehmen und sich nicht blamieren", schrieb sie. Jahre, die sie aber nicht haben verändern können.

Hannelore Schmidt, geborene Glaser, Tochter eines Elektrikers und einer Schneiderin, konnte sich für prachtvolle Bauten interessieren, für gute Musik begeistern, sie schätzte Kunst - aber sie ließ sich nicht beeindrucken von den Mächtigen der Welt und ihren Symbolen. "Loki ist oft Volkes Stimme für mich gewesen", sagte Helmut Schmidt über seine Frau.

Loki Schmidt hat, während ihr Mann das Land regierte, sich selbst ein Feld erobert, die Botanik und den Naturschutz. Die ehemalige Lehrerin hat drei Kontinente bereist und Pflanzen entdeckt, die vorher noch kein Mensch gefunden hatte. Ihre Stiftung kürt seit 30 Jahren die Blume des Jahres, 2011 wird es die Moorlilie sein. Nie war sie als Kanzlergattin oder die Frau von Altkanzler Helmut Schmidt unterwegs, sondern immer als sie selbst. Die Sowjetische Akademie der Wissenschaften hat ihr für ihre Forschungsarbeit im Kaukasus einen Doktortitel ehrenhalber verliehen. Im Vorwort zu ihrem Buch schrieb Helmut Schmidt: "Ich bin immer noch stolz auf diese Tochter eines Werftarbeiters."

Der Stolz, dass sie auch eine Tochter dieser Stadt gewesen ist, geboren in Hammerbrook, drückte sich in der tiefen Trauer aus, die ganz Hamburg an diesem Donnerstag empfand, dem Tag ihres Todes. Alle Institutionen, jedes Büro eines Mächtigen verfasste Pressemitteilungen zum Tod von Loki Schmidt, der überraschend kam, auch in diesem Alter. Wohl auch, weil Hamburg ohne sie schwer vorstellbar ist. Die gemeinsamen Auftritte von Loki und Helmut Schmidt in der Öffentlichkeit mögen seltener geworden sein in den vergangenen Jahren, aber sie waren immer Höhepunkte des gesellschaftlichen Lebens dieser Stadt. Denn in der Atemlosigkeit einer getriebenen Gesellschaft war dieses Paar die große Konstante, ihre Liebe fast beschämend fest und wirklich groß, ihre Solidarität beeindruckend. Niemandem hat Loki Schmidt je vorgelogen, es sei ein Spaß, so alt zu werden. Sie sprach darüber, wie es ist, nicht mehr ohne fremde Hilfe auszukommen. Sie spürte, dass "meine Kerze am Abbrennen ist", wie sie den Ärzten sagte, die sie 2007 ebenfalls nach einem Sturz wieder aufpäppelten. Aber dann saß sie im nächsten Januar beim Neujahrsempfang doch wieder in Reihe eins des Winterhuder Theaters, neben ihrem Mann, zwischen ihnen nichts als ein Aschenbecher für die geliebten Zigaretten.

Als die beiden kurz hintereinander 90 Jahre alt wurden, da brachen in der Stadt so eine Art Schmidt-Festspiele aus. Es gab Filme über die beiden und Reportagen und Bücher und Sonderbeilagen in den Zeitungen. Die Schmidts ließen ein Fernsehteam in das Reihenhaus in Langenhorn, sie wanderten dort durch ihr gemeinsames Leben. Irgendwann soll das ein Museum werden, so hat sich Loki Schmidt das gewünscht; dann wird man wirklich durch dieses Leben wandern können, auf den Spuren großer Persönlichkeiten.

Helmut Schmidt ist im Alter so etwas wie das Gewissen dieses Landes geworden. Die Hochachtung vor dem Mann, der die große Flut managte und den Deutschen Herbst ertrug, ist grenzenlos. Jedes seiner Worte wird notiert als gesprochen für die Ewigkeit. Aber erst neben dieser Loki ist aus Helmut Schmidt, der Respektsperson, der Mann und Vater geworden, der Mensch, wenn man so will. Loki Schmidt hat Brote für Franz Josef Strauß geschmiert, wenn der heimlich in den Bonner Kanzlerbungalow gefahren wurde, sie hat mit der spanischen Königin Kaffee im Pavillon getrunken, wenn ihr Mann mit dem König das Weltgeschehen besprach. Aber morgens beim Frühstück und abends vor dem Zubettgehen und vor allem in den langen Sommern am Brahmsee war sie seine Gesprächspartnerin. Früher öfter über seine Themen, die Politik; später über das Thema ihres Lebens, die Natur.

Sie wird fehlen. Helmut Schmidt respektieren die Leute. Aber die Schmidts, Helmut und Loki, haben sie geliebt.

© SZ vom 22.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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