Transfer:Im Schaufenster des Emirs

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Hinter dem Neymar-Deal stehen Katar und sein reicher Herrscher, der Paris Saint-Germain vor sechs Jahren gekauft hat. Ob sich der Transfer lohnt, ist nicht so wichtig. Der Scheich will seine politischen Ziele erreichen.

Von Oliver Meiler

Es ist ein Scheck, der die Welt des Fußballs durcheinanderbringt. Er stürzt sie in eine mittlere Sinnkrise, vielleicht sogar ins Chaos. Ein Anwalt mit Pomade im Haar und dessen Begleiter mit Sonnenhut und Fliege präsentierten sich mit dem Scheck am Donnerstag in Madrid am Sitz des spanischen Profiverbands La Liga. Die Summe: 222 Millionen Euro. Die Herren waren ganz guter Dinge, verschwanden hinter der Glastür und kamen dann schneller als erwartet zurück. Diesmal mit verwirrten Mienen, ihren Scheck wollte niemand entgegennehmen. Vorerst jedenfalls nicht. Die Verwirrung in ihren Gesichtern passte gut in das bereits episodenreiche Sommertheater, das sich um die berufliche Zukunft des brasilianischen Fußballspielers Neymar Junior entwickelt hat. Nach drei Wochen voller Kapriolen schien das Stück eine neue Wendung zu nehmen, das Ende war wieder mal offen.

Die Hauptrolle, darin sollte man sich nicht täuschen, spielt nicht etwa Neymar, ein Mann mit flinken und feinen Füßen, der bisher für den FC Barcelona stürmte. Sondern ein reicher Emir vom Persischen Golf, Tamim bin Hamad al-Thani, 37 Jahre alt, Staatschef von Katar und Besitzer des französischen Vereins Paris Saint-Germain, kurz PSG. Der Emir will Neymar an seinen Hof holen, damit er da tänzelt und zaubert, koste es, was es wolle. Geld ist genug da. Katar besitzt Öl und Gas, da sind 222 Millionen Euro kein Betrag. Aber gehört sich das auch, so viel Geld auszugeben für die Dienste eines einzigen Spielers? Hebelt der Emir da nicht den Wettbewerb im Fußball aus, dessen Fairnessregeln und gleich auch die Kriterien des gesunden Menschenverstands?

Die neuen Besitzer kauften Spitzenleute ein, zum Beispiel Zlatan Ibrahimovic

In Katars Hauptstadt Doha denkt man die Geschichte mit Neymar in politischen Kategorien, im großen Rahmen also. Und das verschiebt die Wertung der Operation zumindest aus der Sicht des Emirs ganz maßgeblich. Neymar ist Teil eines Masterplans, an dem man seit 2011 baut. Von Öl und Gas wird Katar nicht ewig leben können. Sport ist Soft Power, und Fußball hat weltweit am meisten davon. So kauften die Katarer vor sechs Jahren PSG. Der Verein war billig zu haben, für 50 Millionen Euro plus Schulden. Er war ja auch eine bescheidene Adresse in der Branche, arm an Trophäen, gerade an europäischen. Katar hatte sich davor auch in England umgesehen. Am Ende aber bot PSG die größte Wachstumsmarge, nicht so sehr wegen des Namens, sondern wegen des Standorts. Oh, Paris, Ville Lumière! Wo sonst war für so wenig Geld so viel Licht zu bekommen?

In Frankreich regierte Nicolas Sarkozy, ein Fan des PSG und Freund Katars. Den Investoren standen alle Türen offen, sie galten als Entwicklungshelfer. PSG dient seither als Schaufenster für die Ambitionen des Emirs im Sport, als ständiger Trailer auch für das, was erst noch ansteht, das Hauptkapitel des Masterplans: die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Wie das kleine, klimatisch unwirtliche Katar den Zuschlag dafür erhielt, ist bis heute ein Rätsel. Es galt wohl auch da das Motto: Koste es, was es wolle.

Katar holte prominente Spieler in sein Schaufenster in Paris, die nur bereit waren, in die französische Fußballprovinz zu wechseln, wenn sie dafür sehr viel Geld erhielten. Zlatan Ibrahimovic zum Beispiel, ein langer Schwede mit bosnischen Wurzeln, der nicht nur wuchtig Fußball spielen kann, sondern mit seinem ironisch unterlegten Größenwahn auch das Publikum im Ausland amüsieren konnte. Katar stellte ihn vor dem Eiffelturm vor, da floss in einem Bild alles zusammen: die Größe der Stadt und die ersehnte Größe Katars. Sportlich reichte die Klasse des teuer zusammengekauften Kaders seitdem aber nur für die Herrschaft über die französische Meisterschaft. Fünf Jahre gab man sich, um die Champions League zu gewinnen, die Königsklasse in Europa. Doch da kam man nie weiter als bis ins Viertelfinale. Trotz der Millionen, die andere nicht haben, trotz der vielen Ausnahmekönner.

Der letzte Qualitätssprung soll nun also dank Neymar gelingen, einem absoluten Topmann, einem Global Player des Geschäfts. Der Brasilianer hat 79 Millionen Follower auf Instagram, auf Twitter folgen ihm 31 Millionen. Er ist ein Popstar, in Südamerika sowieso. Und er ist jung, 25 Jahre, fröhlich und luftig leicht in Stil und Spiel. Ob sich seine Anstellung, die alles in allem, Salär und Prämien inklusive, über fünf Jahre deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten wird, rein wirtschaftlich rechnet, ist den Katarern egal. Sie wollen diesen Neymar Junior unbedingt, damit er Kunststücke aufführe im Schaufenster und Trophäen in die Höhe stemme. Für PSG, für Katar. Bis zur WM, 2022.

Die Verpflichtung Neymars ist der Prestigecoup, von dem der Emir immer geträumt hat. La Liga verzögerte das Geschäft nur, als sie den Scheck zurückwies. Stunden danach zeigten sich der Anwalt mit der Pomade im Haar und sein Begleiter mit dem Sonnenhut in den Büros des FC Barcelona. Und dort nahm man die 222 Millionen Euro gerne entgegen - das ist nämlich genau der Betrag, den der Verein als Ausstiegsklausel in den Vertrag Neymars geschrieben hatte. Gedacht war sie als abschreckende Sperre, gebracht hat sie nichts. Katar zahlt nicht direkt an Barça. Gemäß spanischem Gesetz muss ein Spieler sich selber aus seinem Vertrag kaufen. Bei 222 Millionen ist das natürlich unmöglich. Und so überwies der Emir den passenden Betrag auf ein Konto Neymars. Damit konnte der Brasilianer dann seinen Scheck ausstellen. Das Manöver ist bizarr, ein Trick im Graubereich, doch wahrscheinlich entspricht er den europäischen Regeln. Wenigstens der Form nach. In Madrid fand man, das sei alles reichlich fragwürdig. In Barcelona aber kassierte man das Geld und verkündete den Wegzug des Brasilianers - man braucht die Millionen ja für Ersatz.

Am späten Abend war der Wechsel dann perfekt, Neymar unterschrieb einen Fünfjahresvertrag bei PSG.

Katar möchte seinen neuen Posterboy nun möglichst bald vorstellen. Am liebsten schon an diesem Freitag und wieder vor dem Eiffelturm, wo alles zusammenfließt.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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