Transatlantische Beziehungen:Konkurrenz unerwünscht

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Beim Nato-Treffen bemühen sich die Verteidigungsminister um Harmonie, finden selbst gegenüber der Türkei versöhnliche Töne. Doch sorgen Pläne der Europäer für stärkere Verteidigungs-Zusammenarbeit für Unruhe.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr fehlt es an vielem, nicht zuletzt an ausreichend funktionierender Ausrüstung, um ihr Land zu verteidigen. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Alles wird gut. Sagt jedenfalls James Mattis. Zwei Tage lang hat der US-Verteidigungsminister mit seinen Kollegen aus den 28 anderen Nato-Staaten zusammengesessen. Sehr gelassen berichtet der frühere General nun über "exzellenten Fortschritt", den man gemacht habe. Der jüngste Bericht zur US-Nuklearstrategie, der bei einigen Verbündeten durchaus Unruhe ausgelöst hatte? "Wurde sehr gut aufgenommen." Das leidige Thema Lastenteilung? Da bleibe noch viel zu tun, sagt der Minister, lobt aber auch die steigenden Verteidigungsausgaben der Europäer: "Viel ist zugesagt worden, viel wurde erreicht." Irgendwelche Zweifel an der Nato? Aber nein. Die USA, versichert Mattis, blieben "der Nato, unserer Union demokratischer Nationen, vollkommen verpflichtet".

Mattis' Stimme der Vernunft hat die Europäer beruhigt. Vielleicht auch zu sehr

Ein gutes Jahr nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump, der selbst nach seiner Wahl die Allianz noch als "obsolet" abgeschrieben hatte, wollen das in der Nato nicht nur viele gerne glauben. Sie glauben es tatsächlich. Im Hauptquartier hat sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, die Bündnispolitik der Amerikaner folge abseits der Trump'schen Twitterblase traditionellen Bahnen. Das hat damit zu tun, dass die USA ihr Engagement in Europa noch einmal erhöht haben und zum Beispiel noch mehr Geld, Truppen und Material in ihre "Europäische Abschreckungs-Initiative" gegen eine Bedrohung aus Russland stecken. Das hat aber vor allem auch mit Mattis zu tun. Wenn etwa Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen über den Amerikaner spricht, tut sie es nachgerade schwärmend. Mattis' Stimme der Vernunft hat die Europäer beruhigt. Vielleicht auch zu sehr.

Tatsächlich nämlich droht gerade wieder neuer Streit. Und diesmal nicht, weil die Europäer aus Sicht der Amerikaner zu wenig tun, sondern zu viel. Offiziell bieten die Nato und die Europäische Union ein Bild der Harmonie. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini speiste mit den Verteidigungsministern auch diesmal wieder zu Abend. Die Zusammenarbeit sei von "strategischer Bedeutung", versichert Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Tatsächlich aber wächst in den USA das Unbehagen über die neuen militärischen Ambitionen der EU unter dem Dach der "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" (Pesco) und mithilfe eines Verteidigungsfonds. In "sehr offenen Diskussionen", wie Mattis es nennt, machen die Amerikaner derzeit klar, dass sie keine Konkurrenz zur Nato wünschen. Die EU-Bemühungen müssten sich darauf konzentrieren, "die gemeinsamen Verteidigungskapazitäten der Nato zu unterstützen", etwa durch bessere Mobilität fürs Militär. Misstrauen hält Mattis dabei für angebracht: "Jede Organisation will immer expandieren. Das liegt in ihrer Natur." Die EU müsse in ihren Dokumenten daher schriftlich fixieren, "dass die kollektive Verteidigung die Aufgabe der Nato ist und nur der Nato".

Wirklich akut aber sind andere Konflikte - vor allem jene mit der Türkei. In Brüssel hat der türkische Verteidigungsminister Nurettin Canikli die Kollegen über die Offensive gegen die kurdischen YPG-Kämpfer in Afrîn unterrichtet. Die YPG wird von den USA unterstützt, und nicht nur nach Ansicht der Amerikaner spielen die Türken in Syrien derzeit Russen und Präsident Baschar al-Assad in die Hände. Man unterhalte mit Ankara einen "absolut offenen und ehrlichen Dialog", sagt Mattis, zeigt aber auch Verständnis: Die Türkei sei "der einzige Verbündete mit einem Aufstand innerhalb der eigenen Grenzen".

Ähnlich äußert sich Generalsekretär Stoltenberg. Auch er betont immer wieder, die Türken hätten das Recht, sich "mit Augenmaß und verhältnismäßig" gegen Terrorismus zur Wehr zu setzen. Das alles gehört zur derzeit vielleicht schwierigsten Nato-Mission: den Problempartner Türkei bei der Stange zu halten. Der türkisch-griechische Streit um die Hoheitsrechte an den unbewohnten Felseninseln Imia hat das zuletzt nicht leichter gemacht.

Nicht wirklich ausgestanden ist auch der Streit ums Geld, der spätestens dann wieder hochkochen könnte, wenn Trump im Juli zum Brüsseler Nato-Gipfel erscheint. "Ich bin zuversichtlich, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben weiter erhöht. Wir alle hoffen, dass das Tempo seiner starken Wirtschaft entspricht und seiner sehr starken Verpflichtung zu moralischen Werten, moralischer Führung", formuliert Mattis es nett. Bei Trump könnte das anders klingen.

Einig sind sich die Verbündeten, dass die Nato im Irak ihre bisher bescheidenen Aktivitäten zu einer richtigen Ausbildungsmission ausbaut. Es gehe auf Bitten der Regierung in Bagdad und der US-geführten Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat darum, die irakischen Sicherheitskräfte "nachhaltig" zu unterstützen, sagt Stoltenberg. Dies werde man tun, "solange es nötig ist".

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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