Terrorismus:Wachsames Frankreich

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Die Regierung will die Konsequenz aus den Anschlägen des Jahres 2015 ziehen. Sie verschärft den Kampf gegen den Dschihadismus. Dabei sollen alle helfen: Lehrer, Eltern, Sportvereine sollen nach Radikalen Ausschau halten.

Von Christian Wernicke, Paris

Frankreichs Regierung rüstet auf: Mit verschärften Sicherheitskontrollen, aber auch mit mehr Prävention und neuen Zentren zur Betreuung radikalisierter Franzosen zieht Paris Konsequenzen aus den blutigen Terroranschlägen, bei denen im Januar und November 2015 insgesamt 147 Bürger ermordet worden waren. Premierminister Manuel Valls rief alle Teile der französischen Gesellschaft zu "einer Generalmobilmachung" auf. Bei der Vorstellung seines Aktionsplans, der 80 Maßnahmen umfasst, fügte der Sozialdemokrat hinzu: "Der Kampf gegen den Dschihadismus ist ohne Zweifel die große Herausforderung unserer Generation."

Frankreich hatte nach den Anschlägen erschüttert erkennen müssen, dass etliche der Attentäter junge Landsleute und "Kinder der Republik" waren. Die Sicherheitsbehörden zählen derzeit 2073 Menschen, die in Netzwerken zur Unterstützung islamistischer Terrorgruppen verstrickt sein sollen. 635 von ihnen kämpfen als Gotteskrieger in Syrien oder im Irak, 177 sind tot - und 244 Ex-Kombattanten sind nach Frankreich zurückgekehrt. Etliche dieser "Terror-Veteranen" sitzen wegen des Verdachts im Ausland begangener Straftaten in Haft. Andere französische Wiederkehrer will die Regierung künftig in "Zentren für Staatsbürgerschaft und Wiedereingliederung" stecken, in denen sie "de-radikalisiert" werden sollen.

In diesen Zentren sollen auch Jugendliche landen, die von ihren Eltern, Polizei und Geheimdiensten als Terrorsympathisanten identifiziert worden sind. Insgesamt zählen die Behörden derzeit ungefähr 9300 radikalisierte Bürger, darunter seien etwa 3000 Frauen und 1800 Minderjährige. Die Regierung will mindestens zehn solche Betreuungszentren im Land verteilen. Eine erste solche Einrichtung vor allem für Jugendliche wird demnächst im Loire-Tal nahe Saumur eröffnet, trotz heftiger Proteste der Bevölkerung.

Zu den geplanten Verschärfungen zählt etwa auch, dass verurteilte Terroristen trotz Reue oder Rehabilitation künftig weniger mit Strafnachlass rechnen können: Die sozialistische Regierung und die konservative Opposition suchen im Parlament bereits nach Kompromissen, um die Sicherheitsverwahrung von terroristischen Straftätern um acht auf 30 Jahre zu verlängern. Die Terroristen der Anschläge im Januar 2015 hatten sich im Gefängnis als Kleinkriminelle kennengelernt und sich dann gemeinsam im Knast radikalisiert. Daraus zieht die Regierung nun den Schluss, die geheimdienstliche Beobachtung von Gefängnisinsassen müsse massiv verschärft werden.

Ebenso wird eine Liste von gefährdeten Industrieanlagen erweitert, die verstärkt überwacht werden sollen. Das Sicherheitspersonal, das an Flughäfen oder vor touristischen Zielen Reisende und Besucher kontrolliert, soll häufiger überprüft werden. Und Frankreichs Lehrer sollen wachsamer auf gefährliche Tendenzen in ihren Klassen achten. Dazu sollen unter anderem Lehrer vermehrt fortgebildet werden. Auch Sportvereine sollen verstärkt einen Beitrag zur zivilen Erziehung Jugendlicher leisten, andernfalls können ihnen Zuschüsse gestrichen werden.

Kritiker werfen Premier Manuel Valls vor, er setze zu einseitig auf polizeiliche Maßnahmen. Aufsehen erregte jüngst ein Buch des Sicherheitsexperten François Heisbourg mit dem Titel "Wie man den Krieg gegen den Terror verliert": Heisbourg beklagt darin Pannen beim Polizeieinsatz und mangelnde Betreuung. Zudem verlangt er, eine unabhängige Untersuchungskommission solle die Anschläge von 2015 schonungslos aufarbeiten dürfen.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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