Terrorismus:IS-Sprecher getötet

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Abu Mohammad al-Adnani war die Stimme und eine wichtige Identifikationsfigur der Dschihadisten des "Islamischen Staats".

Von M. Baumstieger, R. Steinke, München

Die Meldung vom Tod des Sprechers des sogenannten Islamischen Staats (IS) gilt als schwerer Schlag für dessen Anhänger. "Besonders unter den ausländischen Kämpfern ist der Wunsch groß, den Tod Abu Mohammad al-Adnanis zu rächen - für sie war er eine fast noch größere Identifikationsfigur als Kalif Bagdadi selbst", sagte Terrorexperte Peter Neumann der Süddeutschen Zeitung. Er analysiert am King's College in London die Äußerungen von Dschihadisten in sozialen Netzwerken, für die nächsten Wochen sieht er eine "leicht erhöhte Gefährdungslage".

Zurückhaltender äußerten sich deutsche Sicherheitsbehörden. Vieles, was im Netz verbreitet werde, sei Rhetorik. Trauer um einen geliebten Anführer, ungebrochener Kampfgeist - das seien Versatzstücke, wie sie in der Propaganda fast alltäglich seien, heißt es beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Auch nehme man in der deutschen Szene bisher keine plötzlich gestiegene Aggressivität wahr. Womöglich sei die Kampfmoral der Dschihadisten nach Adnanis Tod geschwächt, gibt ein Staatsschützer zu bedenken: "Adnani war ein prominentes Gesicht des IS. Kann es ihn treffen, kann es jeden treffen."

Der IS-Sprecher Adnani soll am Dienstagabend in Nordsyrien umgekommen sein. Die Nachricht wurde von IS-Quellen vermeldet, zugleich bestätigten die USA, einen "Präzisionsschlag" ausgeführt zu haben. "Aufgrund der Gleichzeitigkeit der Meldungen gehe ich davon aus, dass Adnani tatsächlich tot ist", sagt Neumann. Inzwischen beansprucht Moskau Adnanis Tötung; er sei neben 40 weiteren Extremisten bei einem russischen Luftschlag getötet worden. Im Netz wurde spekuliert, der IS täusche den Tod vor, um Adnani angesichts der drohenden Niederlage das Abtauchen zu ermöglichen. "Mit so einer Falschmeldung würde der IS das komplett falsche Signal nach innen und außen senden - das würde nur das Narrativ der Gegner bestätigen, dass der IS faktisch und psychologisch in der Defensive ist wie nie."

Adnani war eines der letzten Mitglieder der ersten IS-Generation und einziger verbliebener Syrer der Führungsriege. Laut Experten lenkte er auch die "externen Operationen" des IS, wäre demnach verantwortlich für die Anschläge in Brüssel und Paris. Dass wirklich er Killerkommandos nach Europa schleuste, konnte nie bestätigt werden. Neumann sieht Adnani aber als geistigen Urheber der "einsamen Wölfe", die zuletzt im Westen zuschlugen: "Die simple wie geniale Strategie, dass eine Videobotschaft ausreicht, um aus einem Einzeltäter einen 'Soldaten des Kalifats' zu machen, stammte von ihm. Adnani hat wiederholt zu solchen Attacken aufgerufen."

In seiner letzten Ansprache sagte er, das Kalifat werde vielleicht nicht überleben, die Idee dahinter sei aber nicht zu töten. "Da kam er mir fast vor wie ein Spindoctor, der versucht, die nächste Phase des Dschihad anzumoderieren", sagt Neumann. "Die wird wahrscheinlich ähnlich wie zu Adnanis Anfangszeiten aussehen: Lokale dschihadistische Sunniten kämpfen gegen ihre Regierungen. Mit dem Untergang des Kalifats wird der IS seine internationale Strahlkraft verlieren."

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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