Terrorismus:Fast oder voll funktionsfähig

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Im Bonner Prozess gegen einen mutmaßlichen Bombenleger fordert die Verteidigung Freispruch - weil ein wichtiges Detail fehlt.

Von Annette Ramelsberger, Düsseldorf

Es kommt selten vor, dass ausgerechnet die Verteidigung in einem Terrorprozess die Arbeit der Polizei lobt. Meistens tun die Verteidiger alles, um die Arbeit der Ermittler zu erschüttern. Doch im Prozess gegen den mutmaßlichen Bombenleger Marco G. aus Bonn rühmt Verteidiger Peter Krieger die Polizei geradezu. "Hervorragend" habe sie gearbeitet, sogar kleinste Teile der vermeintlichen Bombe im Gleisbett des Bonner Hauptbahnhofs gefunden. Nur das eine nicht: den Zünder. Die gute Arbeit der Polizei ist für die Verteidigung des angeklagten Islamisten Marco G. der Beweis dafür, dass es nichts zu finden gab.

Kinder hatten am 10. Dezember 2012 auf Gleis 1 des Bahnhofs in einer Sporttasche eine Bombe entdeckt, ein Rohr gefüllt mit 115 Gramm hochexplosivem Sprengstoff, dazu einen Wecker. Der Zugverkehr wurde eingestellt, ein Sprengroboter zerstörte die Bombe. Die Bundesanwaltschaft hatte beklagt, dass schon bald darauf wieder Züge durchfuhren, dass Journalisten am Tatort waren, dass der Zünder weggeweht oder in den Sohlenrillen von Presseleuten hätte weggetragen werden können. Doch Verteidiger Krieger sagt: "Auch wenn alles tagelang abgesperrt gewesen wäre, man hätte trotzdem keinen Zünder gefunden. Weil es keinen gab."

"Pro NRW" habe ja einen Anschlag geradezu heraufbeschworen

Krieger fordert in seinem Plädoyer nach zweieinhalb Jahren Prozessdauer, den Angeklagten Marco G. in diesem Punkt freizusprechen. Er geht davon aus, dass der überzeugte Islamist nur eine fast funktionsfähige Bombe gelegt hat, um eine "ernsthafte Warnung" auszusprechen - zum Beispiel als Kritik wegen der Beteiligung der Bundesregierung an militärischen Einsätzen.

Marco G.s zweiter Anwalt Mutlu Günal kritisierte die Justiz, der Islamist sei in der Haft schikaniert und durch eine Scheibe von seiner Familie getrennt worden. Diese Vorgaben grenzen für Anwalt Günal offenbar an Folter. "Waterboarding brauchen wir gar nicht", sagt er. Man könne einen Angeklagten auch anders brechen.

Es gibt in diesem Prozess noch andere Vorwürfe und andere Angeklagte. Drei Männer sitzen neben Marco G. auf der Anklagebank. Ihnen allen wird vorgeworfen, ein paar Wochen später versucht zu haben, den Chef der rechtsradikalen Partei "Pro NRW" zu töten. Die Polizei hatte Marco G.s Auto verwanzt und nahm die Männer am 13. März 2013 auf einer ihrer Spähfahrten fest. Die Verteidigung erklärt, das alles sei noch nicht ausgemacht gewesen. Außerdem habe "Pro NRW" genau solche Angriffe heraufbeschworen - indem sie beschloss, Muslime durch Mohammed-Karikaturen zu provozieren und sich dann durch Angriffe von Muslimen größere Aufmerksamkeit erhoffte. Auch in diesem Anklagepunkt forderte die Verteidigung Freispruch.

Gegenstände, wie sie zum Bau der Bombe genutzt wurden, die am Hauptbahnhof in Bonn entschärft wurde, präsentiert die Kölner Polizei. (Foto: Oliver Berg/dpa)
© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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