Terrorfinanzierung:An der goldenen Kette

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In den Panama Papers finden sich auch die Namen saudischer Geschäftsleute, über die Terrorexperten sagen: "Diese Leute haben al-Qaida finanziert."

Von Hannes Munzinger und Frederik Obermaier

Es war ein Zufallstreffer: Als die Polizei im März 2002 die Büros einer geheimnisvollen Stiftung in Bosnien stürmte, fanden die Ermittler zwischen Sprengfallen, gefälschten Pässen und Bauplänen für Bomben eine Festplatte mit unzähligen Dokumenten. Eine Datei trug den Namen "Geschichte Osamas". Darin: handschriftliche Briefe Osama bin Ladens, Papiere aus der Gründungszeit al-Qaidas. Und außerdem: eine Liste mit 20 Namen.

Polizei und Geheimdienste vermuteten, dass es sich dabei um die Hauptfinanziers der Terrororganisation handeln müsse. "Diese Leute haben al-Qaida finanziert und damit die Grundlage für diese Terrororganisation gelegt", erklärte der ehemalige CIA-Agent Michael Scheuer. Ein in den Neunzigerjahren zu den USA übergelaufener Weggefährte Osama Bin Ladens, der Sudanese Jamal al-Fadl, bekräftigte diesen Verdacht in einem Verhör amerikanischer Behörden. Er verriet auch den Namen des mutmaßlichen Terrorfinanz-Netzwerkes: Golden Chain.

Mindestens zwei mutmaßliche Großspender der Golden Chain, der goldenen Kette, waren offenbar auch Kunden der Kanzlei Mossack Fonseca. Der erste ist der saudische Unternehmer, Banker und Milliardär Saleh Abdullah Kamel. Ausweislich der Panama Papers nutzte der saudische Scheich eine von Mossack Fonseca in den 80er-Jahren aufgesetzte Briefkastenfirma, um in London Luxuswohnungen zu kaufen und anderen undurchsichtigen Firmen Kreditbürgschaften zu gewähren. Eine weitere Briefkastenfirma stattete er 1994 mit mehreren Millionen Dollar Stammkapital aus. Auf eine Anfrage der ddeutschen Zeitung antwortete Kamel nicht.

Die Geldtransfers über die beiden Firmen müssen nicht zwangsläufig illegal gewesen sein, auch müssen sie nicht unbedingt etwas mit Terrorfinanzierung zu tun haben, jedoch ist der Zeitpunkt auffällig: Die Geschäfte fallen in die Jahre von 1994 bis 2001 - und damit in eine Zeit, in der al-Qaida Geld brauchte. Osama bin Laden hatte den USA öffentlich den Krieg erklärt, vor den amerikanischen Botschaften in Tansania und Kenia explodierten im August 1998 Bomben, Hunderte Menschen starben. Gleichzeitig organisierten sich die Terroristen in Afghanistan mit Hilfe der dort herrschenden Taliban neu. Drei Jahre später rasten die Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center.

Als die Fahnder in Bosnien im März 2002 die Golden-Chain-Liste fanden, waren die Terroranschläge in New York und Washington erst ein halbes Jahr her. Die amerikanische Luftwaffe hatte bereits Afghanistan bombardiert, die Taliban flohen aus den Städten. Die Regierung in Washington blies nun auch zur Jagd auf die Hintermänner, auf die Finanziers der Terrororganisation. Dabei stießen die Amerikaner auf undurchsichtige Netze reicher saudischer Geschäftsleute und Banker, auf Briefkastenfirmen und Stiftungen - und eben auf die 20 Namen auf der Golden-Chain-Liste.

Hinterbliebene der Opfer der Anschläge vom 11. September verklagten 2002 mehrere Männer, deren Namen auf der Golden-Chain-Liste standen, darunter Kamel. Der zu den Amerikanern übergelaufene Al-Qaida-Mann al-Fadl sagte im selben Jahr gegenüber amerikanischen Behörden aus, Scheich Kamel habe erhebliche Geldsummen an Osama bin Ladens Terrornetz gezahlt, angeblich getarnt als Spende. Die Terrorfinanz-Expertin Rachel Ehrenfeld nannte dieses gängige System einmal "charity for death" - Wohltätigkeit für den Tod. Auch die sogenannte 9/11-Kommission, die in den USA zur Aufklärung der Terroranschläge eingesetzt wurde, beruft sich in ihrem Abschlussreport auf die Liste. Die Rede ist von einem "finanziellen Unterstützernetz" Osama bin Ladens, geknüpft aus Geldgebern in Saudi-Arabien und den Golf-Staaten. Festzuhalten ist allerdings: Kamel wurde nie wegen Terrorfinanzierung oder Ähnlichem verurteilt.

"Wer es mit dem Kampf gegen Terrorfinanzierung ernst meint, sollte solche Kunden ablehnen - ob sie nun verurteilt sind oder nicht."

Kamel ist nicht der einzige Kunde von Mossack Fonseca, über den Medien seit Jahren immer schreiben, er stehe im Verdacht, das Terrornetzwerk al-Qaida finanziert zu haben. Auch Scheich Suleiman bin Abdulasis al-Radschhi, einer der reichsten Männer Saudi-Arabiens, taucht in der Datenbank des panamaischen Offshore-Dienstleisters auf. Wie al-Radschhi der SZ bestätigte, war er Anteilseigner einer im Jahr 2009 aufgelösten Firma namens SPC Limited.

Miteigentümer der Briefkastenfirma war den Panama Papers zufolge auch al-Radschhis eigene Bank. Sie wurde laut einem CIA-Report, aus dem das Wall Street Journal 2007 zitierte und auf den sich auch ein Bericht des US-Senats berief, bereits "spätestens seit Mitte der 90er-Jahre" von islamistischen Extremisten für Transaktionen genutzt. Der Geheimdienstbericht legt auch nahe, dass die Familienoberhäupter davon wussten und wichtige Manager der Bank direkt an Scheich Suleiman berichteten. Die Bank soll zudem Konten geführt haben, über die Gelder direkt an Attentäter des 11. September 2001 floss.

Suleiman al-Radschhi und die Al-Radschhi-Bank wiesen in einer Antwort an die SZ den Verdacht zurück, "auf irgendeine Art und zu irgendeinem Zeitpunkt wissentlich terroristische Aktivitäten unterstützt oder gefördert" zu haben. Dass der Name "al-Radschhi" auf der Golden-Chain-Liste stehe, bedeute noch gar nichts. Schließlich gebe es Hunderte Personen und Dutzende Firmen dieses Namens. Al-Radschhi und die von ihm mitgegründete Bank berufen sich zudem auf Gerichtsentscheidungen, nach denen die Golden-Chain-Liste keine Beweiskraft habe. Tatsächlich wurde die Liste bislang in keinem Prozess als Beweismittel anerkannt.

Die Kanzlei Mossack Fonseca erklärte auf Anfrage niemals wissentlich zugelassen zu haben, dass ihre Firmen von Personen genutzt werden, "welche die nationale Sicherheit eines anderen Landes bedrohen". "Wenn aus irgendeinem Grund und ohne unser Wissen dennoch eine von uns geformte Gesellschaft in die Hände von Leuten gelangt ist, die für gesetzwidrige Zwecke solche Beziehungen unterhalten, dann haben wir dies stets aufs Schärfste verurteilt und alle verfügbaren Maßnahmen ergriffen."

In einem sind sich die Experten, mit denen die SZ über diesen Fall gesprochen hat, einig: Als die Presse im Jahr 2003 erstmals über die Namen auf der Golden-Chain-Liste berichtete, hätte Mossack Fonseca eigentlich stutzig werden müssen. Schließlich rühmt sich der panamaische Offshore-Dienstleister gerne seiner strengen Compliance - jener Kontrollen also, die eine Art Frühwarnsystem sein sollen, um die Kanzlei vor dubiosen Kunden zu schützen. "Wer es mit dem Kampf gegen Terrorfinanzierung ernst meint, sollte solche Kunden ablehnen, ob sie nun verurteilt oder sanktioniert sind, oder nicht", sagt die Terrorfinanzexpertin Rachel Ehrenfeld.

Aus den Hunderten Dokumenten der Panama Papers, die Kamels und al-Radschhis Firmen betreffen, ist jedoch nicht ersichtlich, dass die beiden jemals genauer überprüft wurden oder gar eine Beendigung der Geschäftsbeziehungen erwogen wurde. Mossack Fonseca verwaltete die Al-Radschhi-Firma SPC Limited auch nach Bekanntwerden seiner angeblichen Al-Qaida-Verbindungen mindestens sieben Jahre. Und mit Scheich Kamel arbeitete der Offshore-Dienstleister sogar mindestens bis in das Jahr 2013 hinein zusammen.

Im selben Jahr fand in Panama-Stadt übrigens ein Kongress zur Prävention von Geldwäsche und zum Kampf gegen Terrorfinanzierung statt. Unter den Sponsoren war auch die Kanzlei Mossack Fonseca.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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