Terrorbekämpfung:Was sinnvoll ist und was nicht

Lesezeit: 2 min

Nach der Attacke in Würzburg wurden Forderungen nach mehr Personal und besserer Ausstattung für die Polizei laut - nicht ganz unberechtigt. Dennoch lässt sich auch durch noch so große Polizeipräsenz keine absolute Sicherheit garantieren.

Von Joachim Käppner

Szenen wie aus einem Bürgerkrieg, schwerbewaffnete Polizisten durchkämmen ein Einkaufszentrum und die U-Bahn, Panik am Hauptbahnhof, die Spezialeinheit GSG 9 fliegt ein: München am Freitagabend, die eigentlich sicherste Großstadt Deutschlands, im Ausnahmezustand. Die Unklarheit, was da eigentlich geschehen und wer dafür verantwortlich war, schürte das Entsetzen weiter. Auch wenn anfangs von Terrorverdacht die Rede war - zumindest die Angst vor dem Terror war bereits in der Bundesrepublik angekommen, endgültig, schon bevor die Polizei die "aktuelle Terrorlage" ausrief. Binnen weniger Tage erst der Gewaltakt durch einen als unbegleiteten minderjährigen Flüchtling eingestuften jungen Mann im Regionalexpress bei Würzburg, dann der Schreckensabend von München. Selbst das grauenvolle Attentat von Nizza schien seltsam weit fort gewesen zu sein. Die Bundesrepublik hatte viele Jahre, eigentlich seit 9/11, relativ viel Glück gehabt, viel mehr Glück jedenfalls als Frankreich, Großbritannien oder Spanien, wo Hunderte bei Anschlägen starben. zu sein, Über Jahre dachten die meisten Länder, am Polizeiapparat lasse sich leicht sparen, sie verkauften seine Ausdünnung als Reform.

Der Terror hat dies nach und nach verändert, freilich sehr langsam. Man kann, ja, man muss Verständnis für das Lamento der Polizei haben: ungezählte Überstunden, Personalknappheit, geschlossene Wachen. Viele Menschen wünschen sich, sie würden nachts an einsamen Bahnhöfen oder in einem Zug voller betrunkener Randalierer öfter mal einen Polizisten sehen. Andererseits kann noch so viel Polizeipräsenz die Taten Einzelner wie in Nizza, die Morde an völlig Unbeteiligten, schwerlich verhindern. Der Ruf nach mehr Polizei - oder besser - der Wiederaufstockung des Personals der Polizei mag richtig sein. Aber man sollte sich hüten, jeden Amoklauf, jeden Terroranschlag zu nutzen, um schlagzeilenträchtige Forderungen aufzustellen. Wer zu jedem Anlass seinen Unmut in größtmöglicher Lautstärke hinaustrompetet, der riskiert, dass man ihm nicht mehr gut zuhört, wenn er wirklich etwas zu sagen hat.

Die kleinere und konservativere Deutsche Polizeigewerkschaft unter ihrem sprachgewaltigen Chef Rainer Wendt ist so ein Beispiel dafür. Wendt hat im Zusammenhang mit Renate Künast von "parlamentarischen Klugscheißern" gesprochen, weil die Grünen-Abgeordnete sofort gefragt hatte, ob die Todesschüsse auf den Würzburger Attentäter wirklich sein mussten. Man kann sicher auch fragen, ob Frau Künast mit solchen Unterstellungen, um die es sich ja kaum verhüllt handelt, nicht warten kann, bis ihr wenigstens ein Minimum an Fakten bekannt ist. Aber Wendt hat seiner Gewerkschaft mit den maßlosen Pöbeleien keinen Gefallen getan. Aus den Reihen derselben Polizeigewerkschaft wird der Einsatz von "Zug-Marschalls" verlangt, also womöglich bewaffneten Begleitern wie den verdeckt mitreisenden "Sky Marschalls" bei manchen Fluglinien. Aber in der Eisenbahn?

Bei Hinweisen auf gestiegene Gefährdungen ist die Polizei schon jetzt auch in Zügen präsent. Nur: Ohne solche Hinweise ergibt die Idee keinen Sinn. Täglich fahren in Deutschland sieben Millionen Menschen mit der Bahn, sind 40 000 Züge unterwegs. Man bräuchte ganze Armeen von Wächtern, um nur einen Bruchteil dieser Züge zu beschützen.

Gewiss lässt sich die Sicherheit verbessern. Es war sicherlich ein Fehler, bei der Einreise so vieler Flüchtlinge deren Registrierung so nachrangig zu behandeln, dass teilweise die Übersicht verloren ging, wer eigentlich im Lande ist. Es ist also vieles zu tun, von der Personalstärke der Polizei bis zur Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Der Terror wird neue Antworten verlangen, auch schmerzliche, ob bei Überwachungsmaßnahmen oder Datenschutz. Aber niemals darf einem Rechtsstaat das Augenmaß verloren gehen, niemals er zerstören oder auch nur beschädigen, wofür er steht.

Was immer der Staat unternimmt: Er wird nie garantieren können, dass sich Taten wie die von Würzburg und München nicht wiederholen. Und niemand sollte suggerieren, dies sei doch möglich, wenn man nur alle seine Ansinnen erfülle. Die Gefahr lässt sich lediglich senken. Das allein ist ein harter und schwerer Weg.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: