Terror in Spanien:Anschlag auf die ganze Welt

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Aus 35 Nationen kommen die Opfer der mörderischen Attacke in Barcelona. Das Attentat auf die Touristenmetropole erregt besonders viel Aufsehen und Bestürzung. Für Spanien, das lange Zeit hoffte, dem Terror zu entgehen, könnten die Folgen gravierend sein.

Von Sebastian Schoepp

Ausgerechnet Barcelona. Der Terroranschlag mit 14 Toten und mehr als hundert Verletzten auf die katalanische Metropole und den Badeort Cambrils folgt aus Terroristensicht einer bezwingenden, perversen Logik. Nicht nur, dass man hier gewissermaßen die ganze Welt an einem Ort attackieren konnte. Die Toten und Verletzten stammten schließlich aus 35 Ländern, Europäer, Afrikaner, Amerikaner, Asiaten, Australier; auch 13 Deutsche wurden verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich. Die Terroristen konnten überdies all denen, die dieses Jahr aus Terrorangst nicht nach Ägypten oder in die Türkei, sondern ins vermeintlich sichere Spanien gefahren sind, klarmachen, dass es keinen sicheren Ort gibt. Und schließlich war diese Attacke ein Anschlag auf etwas, das Terroristen besonders hassen: auf die integrative Kraft einer Stadt, die möglicherweise einzigartig ist in Europa.

Barcelona ist eine Stadt der Ankunft und seit jeher eines der wichtigsten Ziele von Einwanderern in Spanien. Anders als etwa in Paris oder London aber leben die Kulturen hier nicht getrennt, sondern auf engstem Raum zusammen. Das für Touristen so faszinierende Gassengewirr in der Altstadt ist eine Mischung aus orientalischem Souk, mediterraner Flaniermeile und touristischer Gentrifizierungszone - wobei, und das ist das Besondere an Barcelona, nur Letzteres bislang Proteste ausgelöst hat. Genau deswegen trat Bürgermeisterin Ada Colau - weiß gewandet - nach den Attacken vor die Presse, um zu betonen, dass man sich dieses Modell nicht werde kaputtmachen lassen.

Ende einer Todesfahrt: Polizisten bewachen den Lieferwagen, mit dem ein Attentäter in die Menschenmenge auf Barcelonas Ramblas gerast war. (Foto: Manu Fernandez/dpa)

Doch das kaum kontrollierbare Labyrinth der Altstadt bietet eben auch Raum für finstere Umtriebe. Barcelona stand schon lange im Visier der Ermittler, immer wieder gab es Verhaftungen von Islamisten. Manche nutzten Spanien als Durchgangsstation, aber 2008 und 2015 wurden Zellen wegen konkreter Anschlagspläne in Barcelona ausgehoben.

Nach der Tat vom Donnerstag wurden zunächst vier Verdächtige verhaftet, drei von ihnen tief in der Provinz, in der Stadt Ripoll. Ersten Erkenntnissen nach sind sie marokkanischer Herkunft und Teil einer größeren Terrorzelle. Nach dem Todesfahrer, der mit einem Lieferwagen im Zickzack durch Menschenmassen auf den Ramblas fuhr, wurde am Freitag weiter gefahndet. Ein vierter Verdächtiger, ein Spanier aus der nordafrikanischen Exklave Melilla, wurde im Badeort Alcanar festgenommen. Dort war am Mittwoch ein Haus in die Luft geflogen, weil Terroristen mit Sprengstoff hantierten. Laut Polizei wurde das Attentat dort vorbereitet.

Aus Justizkreisen verlautete am Freitag, der Anschlag auf die Ramblas sei nur der erste einer geplanten Serie gewesen, die Attacke in Cambrils in der Nacht zu Freitag sozusagen der zweite Akt. In letzter Zeit hatten sich die Anschlagsdrohungen des IS, der die Tat vom Donnerstag für sich reklamierte, gegen Spanien vervielfacht. Man werde al-Andalus zurückerobern, das Maurenreich des frühen Mittelalters, hieß es. Man hätte gewarnt sein können. Doch die großen Gegenmaßnahmen blieben aus, in Barcelona konnte man sich nicht einmal für den Einbau von Pollern an den Ramblas entschließen.

Dahinter mag die Hoffnung gesteckt haben, nach den verheerenden Anschlägen al-Qaidas von 2004 auf Madrider Pendler habe man seinen Blutzoll sozusagen gezahlt. Durch den prompten Rückzug aus dem Irak und die sparsame Teilnahme am Krieg gegen den Terror hofften viele Spanier, aus der Schusslinie des Terrorismus gekommen zu sein. Und lief nicht alles besser als in anderen Ländern? Obwohl Spanien sich binnen 20 Jahren vom Aus- zum Einwanderungsland gewandelt hat, blieben Ausschreitungen die Ausnahme. Es gibt keine nennenswerte fremdenfeindliche Partei. Seit Donnerstagabend weiß man, dass diese Ruhe eine Illusion war.

Für Spanien kommt das zu einem katastrophalen Zeitpunkt. Gerade begann die Wirtschaft sich nach der Euro-Krise zu erholen - durch den Tourismus. Mit 84 Millionen Besuchern wird für 2017 gerechnet, elf Millionen in Barcelona, ein Rekord, der nun möglicherweise nach unten korrigiert werden muss.

Barcelona tat am Freitag den ersten Schritt, um den Horror zu verarbeiten. Um zwölf Uhr mittags gab es eine Schweigeminute. König Felipe und Ministerpräsident Mariano Rajoy gedachten gemeinsam mit Zehntausenden Menschen der Opfer, Bürgermeisterin Ada Colau weinte - wie die meisten Teilnehmer. Danach riefen sie: "Ich habe keine Angst", ein Moment der Gemeinsamkeit. Und doch war alles anders als sonst. Die Polizei hatte strengste Auflagen gemacht. Die Menschen sollten nur zu Fuß zur Plaça de Catalunya kommen und keinesfalls Rucksäcke oder Taschen tragen. Es gab Durchsuchungen und Kontrollen in dieser sonst so offenen Stadt, eine beklemmende Atmosphäre. Trotzig sagt ein Bewohner: "Der 'Islamische Staat' will uns Angst machen, damit wir zu Hause bleiben. Das ist das Letzte, was wir tun werden."

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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