Tarifgesetz:Die tun was

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Am Freitag wird der Bundestag nach Betreuungsgeld und Maut ein weiteres sinnloses Gesetz verabschieden. Das Tarifeinheitsgesetz folgt einer koalitionsinternen Logik, wird aber nichts bewirken. Und vermutlich bald wieder abgeschafft.

Von Detlef Esslinger

Auf den Bahnstreik wird der Bundestag am Freitag reagieren wie sonst auf Terroranschläge oder Lebensmittelskandale: mit einer Gesetzesverschärfung. Mit der Mehrheit der großen Koalition wird er das Gesetz zur Tarifeinheit beschließen. Es war schon beraten worden, lange bevor die GDL und die Deutsche Bahn sich verkrachten. Doch im Zuge dieser Auseinandersetzung fanden sich all jene bestätigt, die in dem Gesetz ein Mittel gegen zu viele Streiks kleiner, aber mächtiger Gewerkschaften sahen. Da muss man doch was tun, und jetzt tun die endlich was - das ist die Haltung, die sich breitgemacht hat. Die Frage ist nur: Was tun sie denn wirklich?

In Wahrheit: nix. Dieses Gesetz wird keinen Frieden, sondern nur Wirrwarr und neuen Streit bringen. Es bestimmt, dass in einem Betrieb mit rivalisierenden Gewerkschaften künftig nur der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gelten soll, die dort die meisten Mitglieder hat. Damit ist bereits klar, welche Streiks das Gesetz auch in Zukunft nicht verhindern wird: die von Piloten, Fluglotsen oder Ärzten. Um all diese Berufsgruppen gibt es zwischen Gewerkschaften keine Rivalität, sodass auch weiterhin die Vereinigung Cockpit die Lufthansa lahmlegen oder der Marburger Bund einen Klinikbetrieb herunterfahren kann, wenn diese Organisationen derlei für geboten halten.

Aber das, was nun kommt, wird Streiks nicht verhindern

Und bei der Bahn? In dem Konzern gibt es zwar die Rivalität zwischen EVG und GDL - aber was wird dort die Folge des Gesetzes sein? Entweder die Bahn verhandelt unter Berufung auf das Gesetz nur noch Tarifverträge mit der größeren EVG. Dann ist der Betriebsfrieden mit den überwiegend in der GDL organisierten Lokführern dahin. Oder sie wendet aus diesem Grund das Gesetz lieber nicht an. Dann braucht es aber auch niemand. Ohnehin werden die GDL und andere Gewerkschaften vors Verfassungsgericht ziehen. Und noch hat kein Befürworter des Gesetzes erklärt, wie in Karlsruhe eigentlich diese Bestimmungen überleben sollen. Denn sie gestatten einer Gewerkschaft zwar weiterhin das Kaffeetrinken mit dem Arbeitgeber und die Übergabe silberner Ehrennadeln an die Mitglieder, sie berauben die Gewerkschaft aber ihres Wesens: Tarifverträge zu erstreiten.

Otto von Bismarck wird der Spruch zugeschrieben, dass die Leute umso besser schliefen, je weniger sie wüssten, wie Würste und Gesetze gemacht werden. Dieses Gesetz ist nicht gemacht worden, um ein Problem zu lösen. Es ist gemacht worden, weil die CDU in der SPD-geführten Bundesregierung nach Mindestlohn, Frauenquote, der Rente mit 63 und so weiter auch den Arbeitgebern etwas spendieren wollte. Der DGB hat stillgehalten, weil seine Mitgliedsorganisationen diejenigen sind, die praktisch überall in der Mehrheit sind; das Gesetz tut ihnen also nicht weh. Im Idealfall schikaniert es sogar die Konkurrenz.

Ginge es darum, ein Problem wirklich zu lösen, würde dieses Gesetz jetzt angehalten - weil kurz vor der Verabschiedung aus der Union und aus der Rechtswissenschaft kluge Vorschläge eingereicht wurden, wie man den Zirkus Weber & Weselsky wirksam bändigen kann. Die Pflicht, vor einem Streik eine Schlichtung zu versuchen, würde keiner Gewerkschaft ihre Substanz nehmen, beide Tarifparteien aber zu der Einsicht zwingen, dass Eskalation jeweils die letzte, nicht aber die erstbeste Option ist.

Aber das Gesetz wird nicht verschoben. Für viele DGB-Gewerkschaften sind Streiks das wichtigste Mittel zur Mitgliederwerbung, eine Pflicht zur Schlichtung können sie daher überhaupt nicht gebrauchen - und die Sozialdemokraten keinen neuen Krach mit dem DGB. Also kommt das Gesetz, nach dem Motto: Jetzt haben wir es so beschlossen, also machen wir es auch so. Abgeschafft wird es dann hoffentlich in Karlsruhe.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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