Stunt-Frau Mahsa Ahmadi:Eine Iranerin für Hollywood

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Mahsa Ahmadi gilt als Irans bestes Stunt-Double. Sogar für den jüngsten James-Bond-Film "Skyfall" wurde sie engagiert. Dennoch zieht es den Star der Firma "Stunt 13" in die USA. (Foto: oh)

"Sie kann einfach alles, was ein Mann als Double macht": Mahsa Ahmadi hat schon bei James Bond ausgeholfen und gilt als die beste Stunt-Frau Irans. Eine ungewöhnliche Karriere in einem Land, in dem Frauen schon in weniger ungewöhnlichen Berufen genug Probleme haben.

Von Tomas Avenarius, Teheran

Heute ist nicht "Skyfall", heute ist Himmelfahrt. Mahsa Ahmadi schwebt in der Luft, vier Meter über der Bühne. Perfekte Körperkontrolle, Arme und Beine graziös von sich gestreckt. Ein Engel im Anflug, eine himmlische Erscheinung. Im 007-Thriller "Skyfall" mit Daniel Craig alias James Bond hatte die Iranerin ganz andere Dinge gedoubelt: Verfolgungsjagden auf den Dächern, Stürze von Häusern und Brücken, Crashs mit quietschenden Reifen, splitternden Scheiben, Falten werfendem Autoblech. Das, was eine eben so macht als Stunt-Frau: "Autocrashs und Bungeespringen - ja, solche Sachen sind gefährlich. Aber beim Sport, als Kunstturnerin, da habe ich mich öfter verletzt."

Mahsa Ahmadi hinkt, sie hat sich neulich beim Fallschirmspringen das Fußgelenk gebrochen. So ganz ungefährlich ist das Stuntgeschäft eben doch nicht. Aber im Teheraner Opernhaus steht an diesem Abend nicht der freie Fall auf dem Programm oder der Überschlag mit dem Auto, sondern eine Art religiöses Ballett. Die letzten Stunden des Imam Hussein sind das Thema, der Heilige stirbt auf dem Schlachtfeld. Es ist das große Schiiten-Epos aus dem 7. Jahrhundert, das jeder Iraner kennt, modern inszeniert mit Lasershow und Dolby-Sound. Irgendwann schwebt auch der Engel ein, an unsichtbaren Seilen hängend.

Mahsa Ahmadi ist Stunt-Frau, eine von einem knappen Dutzend in Iran und wahrscheinlich die Beste. Der Job im Teheraner Opernhaus ist für sie eine Kleinigkeit, sie zeigt den Schauspielern, wie das geht mit dem Fliegen an den Seilen. Ihr Chef Arsha Aghdasi von "Stunt 13" schwärmt von ganz anderen Auftritten: "Ich lasse Mahsa Autos zu Schrott fahren, ich lasse sie brennen. Sie kann einfach alles, was ein Mann als Double macht." Die ehemalige Kunstturnerin springt, kämpft, fährt Auto und Motorrad, kann auf dem Rücken eines galoppierenden Pferdes mit dem Bogen schießen. "Und sie kann bei all dem ihren Körper in jede Richtung biegen, phänomenal", sagt Aghdasi. "Sie ist die Nummer eins in Iran."

Anderen iranischen Frauen Türen öffnen

Nicht, dass das einfach wäre mit dem Stunt-Geschäft in der Islamischen Republik. Die meisten Doubles sind Männer, die Frauen haben schon in weniger ungewöhnlichen Berufen genug Probleme: In Iran herrscht Kopftuchzwang, Frauen müssen ihren Körper in der Öffentlichkeit mit einem Mantel bedecken, der nicht viel von ihrem Körper zeigt. Ihre Karriere als Kunstturnerin musste Mahsa mit 17 Jahren aufgeben, das System setzt auch dem klassischen Frauensport enge Grenzen. Für eine hauptberufliche Stunt-Frau, die durch die Luft fliegt oder am Filmset Beine wirbelnd Karate kämpft, ist die Kleiderordnung in Iran eines der größten Probleme: "Bei meinen Stunts achte ich zuerst immer auf den Sitz des Schleiers", sagt Mahsa, "es ist manchmal frustrierend, aber es geht." Sie meint: "Ich tu es auch, um anderen iranischen Frauen den Weg zu ebnen, ihnen Türen zu öffnen."

Team-Chef Aghdasi ist einer der Gründer von "Stunt 13", er doubelt auch selbst und sagt von sich: "Ich bin immer auf Adrenalin." Er hat dennoch gezögert, mit einer Frau zu arbeiten: "Es ist und bleibt schwierig in meinem Land. Aber Mahsa ist so gut und stellt sich jeder Herausforderung, selbst wenn ich mit ihr härter umgehe als mit den Männern im Team."

"Stunt 13" hat in iranischen und internationalen Produktionen gespielt, der Bond-Film "Skyfall" war bisher allerdings der Höhepunkt. Die Perser gewannen für ihre Arbeit bei den Dreharbeiten in der Türkei sogar einen Preis - sie sind Weltklasse. Aghdasi sagt: "Wir sind dem Skyfall-Team erst durch ein Foto auf Facebook aufgefallen, aus einem unserer früheren Filme. Sie mochten unsere Technik." Als der Anruf der James-Bond-Produzenten kam, konnte der 30 Jahre alte Iraner es nicht fassen. "Ich dachte, da nimmt mich jemand auf den Arm."

"Die Behörden lassen uns eigentlich in Ruhe"

"Stunt 13" hat dann nicht nur zusammen mit den mehr als hundert anderen Doubles in einigen "Skyfall"-Szenen mitgespielt, Aghdasi und seine Mitarbeiter haben vor allem auch viel von ihrer für den Kinozuschauer unsichtbaren Technik mitgebracht. Vor allem das für Doubles überlebenswichtige Anseilen bei den Stürzen aus großer Höhe: In einer Szene wird 007 angeschossen und fällt von einer 70 Meter hohen Brücke in die Tiefe. Der iranische Stunt-Man sagt gelassen: "In der Seiltechnik sind wir gut."

Auch was das Arbeiten in Iran angeht, ist der Adrenalin-getriebene Aghdasi betont sachlich: "Die Behörden lassen uns eigentlich in Ruhe. Sie sehen, dass wir mit unserer Arbeit auch etwas für unser Land tun." Damit keiner auf falsche Gedanken kommt, macht das Team gelegentlich kostenlose Werbung, für die Feuerwehr oder den staatlichen Rettungsdienst. Außerdem gibt es in der Islamischen Republik trotz aller strengen Vorschriften Freiräume, es gibt Frauenfußballerinen, Rennfahrerinnen, Springreiterinnen. "In Iran begeistern sich die Menschen für gefährliche Sportarten", sagt Aghdasi. "Aber es fehlt an Ausrüstung und an Unterstützung."

Mahsa, die Stuntfrau, wird deutlicher: "Iran bietet mir nicht genug Möglichkeiten. Vieles geht einfach nicht. Ich will weg, hundertprozentig", sagt sie. Mahsa stellt bereits ihre Papiere zusammen. Für die USA. "Hollywood", sagt sie, "Warum denn nicht?"

© SZ vom 02.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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