Streit um Genmais 1507:Deutschland schiebt die Verantwortung gen Brüssel

Lesezeit: 2 min

Aktivisten der Nichtregierungsorganisation Campact demonstrieren als Maiskolben, Bienen und Schmetterlinge kostümiert gegen die geplante Zulassung der umstrittenen Genmaissorte 1507 (Foto: Imago Stock&People)

Die Prozedur ist zum Haareraufen: Die EU-Kommission wird wohl eine Genmais-Sorte zulassen, die nur unzureichend erforscht ist - gegen die Bedenken der Bevölkerung. Schuld daran ist unter anderem die deutsche Regierung.

Eine Analyse von Kathrin Haimerl

Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot steht: "Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an." Die Abstimmung zum umstrittenen Genmais 1507 an diesem Dienstag in Brüssel vermittelte einen anderen Eindruck. Weil sich die Bundesregierung nicht zu einer gemeinsamen Position durchringen konnte, enthielt sie sich ihrer Stimme. Und das, obwohl sie Umfragen zufolge für eine Ablehnung die Rückendeckung von fast 90 Prozent der Bevölkerung gehabt hätte.

Die deutsche Enthaltung ist in diesem Fall eine verdeckte Zustimmung, da für eine Ablehnung des umstrittenen Genmais 1507 ein doppeltes Quorum nötig ist: Die Mehrheit der Länder und die Mehrheit der durch diese Länder vertretenen EU-Bürger. (Mehr über das Abstimmungsverfahren erfahren Sie hier.)

Das Verfahren in Brüssel ist zum Haareraufen: Der Antrag der US-Firma DuPont Pioneer auf Zulassung datiert zurück auf das Jahr 2001, zwölf Jahre lang haben die Mitgliedstaaten und die Kommission den Antrag verschleppt. Nun schafft es der US-Konzern offenbar, die Zulassung durchzuklagen: 2013 verurteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Brüsseler Behörde wegen Untätigkeit. Die Kommission steht also unter Zugzwang. Rechtlich ist sie dazu verpflichtet, die Zulassung zu erteilen, wenn sich im Rat keine qualifizierte Mehrheit gegen die Freigabe formiert hat.

Unzureichende Forschung

Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel müssen nicht per se des Teufels sein. Schließlich modifizert der Mensch Saatgut, seit er sesshaft wurde. Und mag der Genmais 1507 nach Science-Fiction klingen, weil er selbst ein Insektizid gegen seine Schädlinge produziert: Auch das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein.

Befürworter der grünen Gentechnik führen an, dass sich in anderen Ländern die Umweltbedingungen durch den reduzierten Einsatz von Insektiziden erheblich verbessert haben. Was in der Argumentation fehlt: Insekten können schnell Resistenzen entwickeln, andere Schädlinge ihren Platz einnehmen. Das wiederum führt zu erhöhtem Pestizid-Einsatz - zu einer Art Wettrüsten auf den Äckern.

Gentechnik
:Kampf um den Mais

Die genveränderte Maissorte 1507 könnte bald die EU-Zulassung erhalten. Dabei sind die Risiken für die Umwelt umstritten. Auch die Bundesregierung ist uneins.

Von Katrin Blawat und Daniela Kuhr

Womit das Kern des Problems beschrieben ist: Keiner - weder Gegner noch Befürworter - kann die langfristigen Folgen des Genmais-Einsatzes abschätzen.

Ausstiegsklauseln sind umstritten

Das andere Argument, mit dem die Firma Pioneer für ihren Mais wirbt, trägt in Deutschland ebenfalls nicht: Die Sorte ist resistent gegen Herbizide mit dem Wirkstoff Glufosinat. Doch dieses Unkrautvernichtungsmittel ist hierzulande seit November 2013 nicht mehr zugelassen, in der EU läuft die Erlaubnis 2017 aus.

Richtig ist, dass die EU-Risikobewertungsbehörde EFSA dem Mais mehrfach Unbedenklichkeit bescheinigt hat. Test-Biotech, ein gentechnikkritisches Institut zur Folgenabschätzung in der Biotechnologie, kommt zu einem anderen Schluss: Das Urteil der EU-Behörde falle "wie ein Kartenhaus" in sich zusammen, sobald man sich mit den Details befasse. Sollte die Kommission also die Freigabe erteilen, dann holt sich die EU eine Genmaissorte auf ihre Äcker, die nur unzureichend erforscht ist.

Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will sich für Ausstiegsklauseln der Länder und Regionen starkmachen. Die Idee ist nicht neu: Ein Gesetzgebungsvorschlag der Kommission aus dem Jahr 2010, der in Richtung Ausstiegsklausel geht, steckt im Ministerrat fest. Zu den Ländern, die das blockieren, gehört unter anderem die Bundesrepublik.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: