Streit um Atomgesetze:Chaos im Ausschuss

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"Hier wurde Schindluder mit dem Parlament getrieben": Koalition und Opposition geraten über Atomgesetze aneinander - und werfen sich gegenseitig Rechtsbruch vor.

Michael Bauchmüller

In einem jedenfalls sind sich die parlamentarischen Geschäftsführer von Grünen und Union, Volker Beck und Peter Altmaier, vollkommen einig: So etwas wie am Dienstagabend haben sie in vielen Jahren Bundestag noch nicht erlebt. "Hier wurde Schindluder mit dem Parlament getrieben", schimpft Beck. Wohingegen Altmaier den Grünen "rechtsmissbräuchliches Verhalten" vorwirft. "Es ging ihnen nicht um Inhalte, es ging um Klamauk", ärgert sich Altmaier.

Vor den abschließenden Beratungen des Bundestages über längere Atomlaufzeiten und ein neues Energiekonzept sollte die Sitzung eine letzte Ausschussdebatte über das umstrittene Gesetzeswerk ermöglichen. Im Bild: Das Kernkraftwerk Isar 1 bei Landshut. (Foto: dpa)

Es sind zwei Versionen derselben Veranstaltung, einer Sondersitzung des Umweltausschusses. Vor den abschließenden Beratungen des Bundestages über längere Atomlaufzeiten und ein neues Energiekonzept sollte die Sitzung eine letzte Ausschussdebatte über das umstrittene Gesetzeswerk ermöglichen.

Der Geschäftsordnung des Bundestages zufolge muss der Ausschuss zwei Tage vor der letzten Lesung seinerseits ein Votum über Gesetze abgeben. Dazu debattiert er über Änderungsanträge der Fraktionen. "Aber eine Ausschussberatung war faktisch nicht möglich", klagt Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Beck. SPD und Linke sehen das ähnlich. Auch Mitglieder der Regierungsfraktionen berichten von chaotischen Verhältnissen. "Es ging drunter und drüber", sagt einer.

Allerdings hatten die Grünen auch jede Menge Änderungsbedarf. Ein gutes Dutzend Abgeordnete, die eigentlich dem Ausschuss nicht angehören, hatte sich um mündliche Anträge zur Sitzung bemüht. Zum Beispiel für die sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke, beantragt Reaktor für Reaktor. Doch die Anträge wurden ihnen verwehrt, ebenso Geschäftsordnungsanträge. "Ziel war es, das Fertigwerden dieses Gesetzespakets zu verhindern", ereifert sich CDU-Mann Altmaier. Im politischen System der Vereinigten Staaten nennt sich dieser Vorgang "Filibuster", in Deutschland ist die Methode eher unüblich.

Die Opposition hingegen beklagt, Union und FDP wollten das Gesetz im Eiltempo durchpeitschen - unter anderem mit Rücksicht auf den Parteitag der CSU am Freitag. "Unsere parlamentarischen Rechte richten sich aber nicht danach, ob die CSU einen Parteitag hat oder nicht", sagt der Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. Eigentlich wollte der Grüne die Abschaltung des AKW Grohnde beantragen, durfte es aber nicht.

Das Schauspiel dürfte sich an diesem Donnerstag fortsetzen. Anträge, persönliche Erklärungen, Zwischenrufe lassen sich auch im Bundestag noch formulieren - und dürften die Beratungen über längere Laufzeiten, Brennelementesteuer und vertragliche Vereinbarungen mit den Betreiberfirmen zum Hindernislauf machen. Zuallererst aber wollen die Grünen, gekleidet ganz in Schwarz, per Antrag das Thema von der Tagesordnung absetzen. Damit allerdings dürften sie an der schwarz-gelben Mehrheit scheitern. Aber das kennen sie ja noch aus dem Umweltausschuss.

© SZ vom 28.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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