Poststreik:Wenn Aktionäre wichtiger sind als Mitarbeiter

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Aktionäre haben es gut bei der Deutschen Post. Vorstandsvorsitzender Frank Appel bei der letztjährigen Hauptversammlung des Unternehmens (Foto: picture alliance / dpa)

Der Post geht es gut, die Dividende für die Aktionäre wurde erhöht. Und in einer solchen Lage meint der Vorstand, zur Zustellung von Briefen und Paketen eine Billigfirma gründen zu müssen.

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Womöglich nimmt derzeit nicht nur die Zahl der Streiks zu - sondern auch die Intensität, in der die vielen Konflikte ausgetragen werden. Es ist ungewöhnlich, dass das Land kurz hintereinander zwei unbefristete Streiks erlebt: bei den Erzieherinnen und bei der Post. Und es ist ungewöhnlich, dass die Bürger diese Streiks direkt zu spüren bekommen. Wenn Erzieherinnen und Postboten die Arbeit niederlegen, ist das etwas anderes, als wenn Metallarbeiter dies tun. Und der Postkonflikt hat ohnehin eine Bedeutung, die weit über den Konzern hinausgeht.

Berufsgruppen wie die Erzieherinnen tragen mit ihren Arbeitgebern bloß einen klassischen Interessenkonflikt aus. Sie wollen mehr Geld, als die Gegenseite ihnen zugesteht. Der Konflikt bei der Post jedoch ist grundsätzlicher Natur. Es geht um zwei Fragen: Soll eine Gewerkschaft mitreden, wie ein Konzern sich organisiert? Und was ist davon zu halten, wenn dieser Konzern gleichzeitig Zumutungen für die Mitarbeiter, aber Wohltaten für die Aktionäre bereithält?

Eine apodiktische Formulierung im Post-Tower, hoch über Bonn

Seit Langem hat die Gewerkschaft Verdi versucht, Einfluss auf die Strategie der Post zu nehmen. Schon vor zwölf Jahren rang sie dem Vorstand einen Vertrag ab, der die Zustellung von Briefen und Paketen durch Billiglöhner streng begrenzte. Letztlich aber war dieser Vertrag bloß ein Goodwill-Papier. Er sah keine Sanktionen vor, falls der Vorstand eines Tages umdisponieren würde. Dieser Fall ist nun da, und die Gewerkschaft hat nur eine Chance, den Vorstand wieder einzufangen: indem sie ihren Protest mit gerade anstehenden Verhandlungen über Geld und Arbeitszeit verknüpft.

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Ob das aufgeht, hängt davon ab, wie sehr ihre Streiks den Konzern in die Bredouille bringen. Setzen die Postboten ihm zu wie die Piloten der Lufthansa, stehen die Chancen gut. Laufen sie ins Leere, wie bei Amazon, steht eine Niederlage bevor. Der Ausgang dieses Arbeitskampfs ist so offen wie ein Fußballspiel: Ohne Postboten ist eine Post zwar keine Post. Aber das Unternehmen kann sich möglicherweise mit Leiharbeitern und Werkvertraglern behelfen - Zusteller sind ja nicht so unaustauschbar wie Piloten.

Das Unternehmen tut viel, um auf die grundsätzliche Dimension dieses Konflikts aufmerksam zu machen. Es hat begnadete Provokateure im Management. Das habe doch allein seine Entscheidung zu sein, wie man den Konzern organisiert - so hat es das Vorstandsmitglied Jürgen Gerdes gerade erst wieder gesagt. Eine Formulierung ist das, wie sie einem so apodiktisch nur im Post-Tower einfallen kann, im Himmel hoch über Bonn. Unabhängig vom Ausgang des Arbeitskampfs: Auch die Deutsche Post AG gehört zu den Aktiengesellschaften, die derzeit an der Spaltung der Gesellschaft, zumindest an deren Verhärtung, mitwirken.

Es gibt kein Menschenrecht auf steigende Einkommen

Niemand würde es dem Vorstand verübeln, ginge er an Besitzstände der Belegschaft heran, um die Firma aus einer schlechten Lage zu befreien. Es gibt kein Menschenrecht auf immerfort steigende Einkommen. Aber der Post geht es sehr gut. Wie viele andere AGs schüttet sie mittlerweile die Hälfte ihres Gewinns aus. Erst vor zwei Wochen hat sie die Dividende auf 85 Cent erhöht. Bei der Dividendenrendite - dem Verhältnis von Dividende zu Aktienkurs - liegt sie im oberen Mittelfeld der 30 Dax-Konzerne. Und in einer solchen Lage meint sie, zur Zustellung von Briefen und Paketen eine Billigfirma gründen zu müssen!

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Selbstverständlich ist das legal. Aber in wie vielen Firmen soll das denn noch zur Kultur werden: Erst werden die Bedingungen derjenigen verschlechtert, die mit ihrer Hände Arbeit jeden Gewinn erst erwirtschaften. Sodann steht dieser Gewinn zur Verteilung an diejenigen an, die vor allem ihr Geld arbeiten lassen. Und obendrauf gewährt der Staat dafür auch noch das Privileg einer Abgeltungsteuer, mit dem bescheidenen Satz von 25 Prozent.

Behaupte niemand, der Unterschied zwischen Dividenden und Löhnen sei, dass Dividenden aus Erlösen bezahlt würden, die es schon gibt - Löhne aber aus Erlösen, die erst noch kommen müssen. Mit diesem Argument verteidigen sich Post-Chef Frank Appel und sein Vorstand Gerdes. Jede seriös geführte Firma hat auch eine seriöse Umsatz- und Gewinnplanung. Die Post rechnet für dieses und nächstes Jahr allein fürs Geschäftsfeld Briefe und Pakete mit jeweils 1,3 Milliarden Euro Gewinn, mindestens.

Das Problem ist nicht ein etwa unkalkulierbarer Gewinn. Das Problem ist die Erwartung von Aktionären, dass die Hälfte dieses Gewinns nicht investiert, sondern ausgeschüttet wird. Damit säen sie Wind. Und gemeinsam mit den Managern wundern sie sich anschließend, dass sie Sturm ernten.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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