Steuervermeidung:Ganz nah am großen Geld

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Die großen Wirtschaftsprüfer setzen Milliarden um - und sind immer wieder in Steuerskandale verwickelt.

Von Nils Wischmeyer

Die größten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften der Welt, Ernst & Young (EY), Pricewaterhouse-Coopers (PWC), Deloitte und KPMG, sind ein mächtiges Oligopol. Ihr Marktanteil liegt weltweit bei rund 70 Prozent, die Umsätze gehen in die Milliarden, kaum eine große Firma kommt ohne ihre Dienste aus. Im Prinzip dominieren sie die Branche nach Belieben. In der Szene und der öffentlichen Wahrnehmung agieren die vier Gesellschaften oft nur als die "Big Four", die großen vier. Aufgestellt sind sie als global tätige Netzwerke mit unabhängigen Unternehmen in einzelnen Ländern. Drei der vier Netzwerke haben ihren Hauptsitz in London. Nur KPMG sitzt in Zug in der Schweiz. Gemeinsam haben die mehr als 750 000 Mitarbeiter der Big Four im vergangenen Jahr mehr als 130 Milliarden Euro erwirtschaftet. Allein in Deutschland lag der Umsatz jenseits der sechs Milliarden Euro. Ein Großteil der Unternehmen im Leitindex Dax lässt seine Jahresabschlüsse von den Wirtschaftsprüfern der Big Four prüfen.

Für die Prüfungsgesellschaften ist das ein verlässliches Geschäft. Immerhin sind Banken, Versicherer und viele Unternehmen rechtlich dazu verpflichtet, ihren Jahresabschluss extern kontrollieren zu lassen - und das jährlich. Die Aufgabe von KPMG & Co. besteht darin zu prüfen, ob alle Einnahmen und Ausgaben richtig verbucht werden.

Daneben sind die Gesellschaften beratend tätig, und das oftmals in Steuerfragen oder, wie es von den Unternehmen heißt: in der Steueroptimierung. Sie suchen im Auftrag ihrer Kunden nach Schlupflöchern. So helfen sie ihnen und den Vermögenden dieser Welt, einen Teil ihres Geldes am Fiskus vorbeizuschleusen. Alles im Rahmen der Gesetze und vollkommen legal, betonen die Unternehmen immer wieder. Zudem verhandeln die Berater im Namen der Unternehmen Steuerabsprachen. So hatte PWC für einige Unternehmen Absprachen mit der Regierung in Luxemburg getroffen, was die europäischen Staaten vermutlich Milliarden Euro gekostet hat. Auch das sei selbstverständlich legal gewesen, wie PWC nicht müde wird zu betonen. Später wurden diese Tricksereien als Lux-Leaks aufgedeckt.

Brüssel wollte den Prüfern schon verbieten, als Berater zu arbeiten

Auch in den Panama Papers oder den Paradise Papers tauchen die Prüfungsgesellschaften immer wieder auf. EY etwa soll ein Schlupfloch entdeckt haben, das es Flugzeugbesitzern erlaubt, diese steuerfrei in die EU zu bringen. Das macht einmal mehr deutlich: Die Big Four gehören zu den Konstrukteuren der aufwendigen Tricksereien rund um die Offshore-Finanzindustrie. Kritiker bemängeln diese Rolle schon länger. Da die Berater die Steuerpraktiken vieler Länder und durch die Prüfung auch die Unternehmen gut kennen, könnten sie ihnen maßgeschneiderte Produkte zur Steuervermeidung anbieten. Ein Vorwurf, den die großen vier bis heute vehement bestreiten. Rein rechtlich seien die beiden Geschäftszweige streng voneinander getrennt. Daran halte man sich. Die EU-Kommission aber ist skeptisch und wollte den Prüfungsgesellschaften schon verbieten, beratend tätig zu sein. Dann hätten sich die Konzerne in eine Beratungs- und eine Prüfungsgesellschaft aufteilen müssen. Am Ende aber konnte sich die Brüsseler Kommission mit ihrem Vorschlag nicht durchsetzen. Das Geschäftsmodell der Big Four bleibt also vorerst erhalten.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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