Steuern:Verschwundene Millionen

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Hinterziehen Arbeitgeber von Minijobbern in großem Stil Steuern? Der Bundesrechnungshof hat schon vor Jahren 60 Millionen Euro vermisst. Nun will das Finanzministerium Betrügereien bei der Abrechnung erschweren.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Im deutschen Steuersystem verschwinden jährlich um die 60 Millionen Euro genau dort, wo es besonders unbürokratisch zugehen soll: bei den Minijobs. Auf der Suche nach dem Leck hat jetzt das Bundesfinanzministerium einen Vorschlag vorgelegt. Um Steuerhinterziehern das betrügerische Treiben zu erschweren und überhaupt das Steuersystem transparenter zu machen, soll ein elektronischer Datenaustausch zwischen Arbeitgebern, Minijobzentrale und Finanzbehörden eingeführt werden. Und zwar verpflichtend. Das geht aus dem Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin im Finanzministerium, Bettina Hagedorn (SPD), an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Bundestages hervor. "Zusätzlich zu melden sind dann die Steuernummer des Arbeitgebers, die Steueridentifikationsnummer des Beschäftigten sowie die Art der Besteuerung", schreibt Hagedorn. Das Schreiben vom 26. Juni liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Das bisherige Meldeverfahren für Entgelte aus Minijobs sah diesen Austausch nicht vor.

Der Bundesrechnungshof entdeckte eine 60-Millionen-Lücke

Grund der Änderung: Es existieren Schätzungen, dass bei der Beschäftigung von Geringverdienern jährlich bis zu 60 Millionen Euro an Steuern hinterzogen werden. Der Bundesrechnungshof kritisierte schon im November 2010, dass der Fiskus bei Minijobs im Jahre 2008 etwa 60 Millionen Euro weniger eingenommen hatte, als zu erwarten gewesen wäre, wenn für alle diese Arbeitsentgelte Steuern abgeführt worden wären. Die Rechnungsprüfer wiesen zugleich darauf hin, dass die Gründe für diese Lücke nicht eindeutig zu klären seien. Entweder hinterzögen die Arbeitgeber bei vielen Minijobs die pauschal abzuführende Steuer. Oder aber sie besteuerten geringfügig Beschäftigte nach Lohnsteuerkarte - und nicht pauschal. In diesem Fall würden die Steuern anders verbucht. Weil aber für die Prüfer nicht nachzuvollziehen war, wie der von den Arbeitgebern abgeführte Betrag den einzelnen Beschäftigten hätte zugeordnet werden können, war es unmöglich, Steuerbetrügern auf die Spur zu kommen. Der Bundesrechnungshof beauftragte deshalb das Bundesfinanzministerium, einen Ausweg zu suchen. Der nun vorgelegte Vorschlag ist nach Ansicht von Experten geeignet, das Leck zu schließen. Der Steuerprofessor Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin sprach trotz des wohl höheren Aufwandes für Arbeitgeber von "einem sinnvollen Weg, um Minijobs sachgerecht zu besteuern".

Deutschland ist das Land der Minijobber. Etwa 7,5 Millionen Bürger sind geringfügig beschäftigt. Die Jobs sind so beliebt, weil Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto haben. Minijobs sind Beschäftigungen, bei denen der monatliche Verdienst 450 Euro nicht übersteigt. Sie sind für Arbeitnehmer sozialversicherungsfrei, die Arbeitgeber zahlen pauschale Abgaben an die Minijob-Zentrale, etwa Beiträge zur Sozialversicherung, diverse Umlagen und eine Pauschalsteuer von zwei Prozent. Diese Regel vereinfacht vieles. Arbeitgeber müssen weder ein allgemeines Lohnkonto führen noch Lohnsteuerbescheinigungen ausstellen. Arbeitnehmer können kurzfristig einen Minijob aufnehmen, weil sie keine Lohnsteuerkarte vorlegen müssen. Wenn allerdings von Arbeitnehmern gewünscht, kann der Verdienst auch gewöhnlich über die Lohnsteuerkarte besteuert werden. Das geschieht selten, weil viele Arbeitnehmer so weniger in der Tasche hätten.

Das Bundesfinanzministerium will nun gemeinsam mit dem Bundesarbeitsministerium zügig ein entsprechendes Gesetz vorlegen.

© SZ vom 03.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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