Stasi-Spitzel:Kurras verriet Überläufer

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Karl-Heinz Kurras, West-Berliner Polizist und Ohnesorg-Todesschütze, hat der Stasi offenbar über enttarnte und desertierte DDR-Spione berichtet.

Der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras hat der DDR offenbar umfassend über festgenommene Stasi-Agenten und Überläufer berichtet. Nach Angaben des Spiegel lieferte Kurras von 1955 bis 1967 dem Ost-Berliner Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Hunderte Berichte, darunter 24 Informationen über festgenommene Spione der Stasi.

Erschoss 1967 den Studenten Benno Ohnesorg: Karl-Heinz Kurras (Foto: Foto: ddp)

Zudem habe Kurras, der den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte, seinen Führungsoffizieren Details über mindestens fünf desertierte MfS-Angehörige berichtet.

Über die wegen der Tötung Benno Ohnesorgs gegen Kurras eingeleiteten Ermittlungen wusste die Stasi offenbar genau Bescheid. Die Stasi verfügte über eine Kopie der Anklageschrift, wie die Berliner Zeitung berichtet. Laut einem Stasi-Vermerk verfügte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) darüber hinaus noch über weitere Prozessunterlagen aus dem Kurras-Verfahren, hieß es in dem Bericht.

Kurras hatte Ohnesorg am 2. Juni 1967 am Rande einer Demonstration gegen den persischen Schah erschossen. Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass er zu jener Zeit SED-Mitglied war und für die Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter tätig war. In zwei Prozessen wegen seines Todesschusses auf Ohnesorg war der Polizist 1967 und 1970 freigesprochen worden.

Im Fall Kurras soll die DDR-Staatssicherheit direkte Informationen von den West-Berliner Justizbehörden bekommen haben. Neue Aktenfunde bei der Birthler-Behörde belegen nach Medienberichten, dass die Stasi sogar die Anklageschrift gegen Kurras hatte. Möglicherweise fielen die Akten der Stasi bei einer Kontrolle an der Grenzübergangsstelle Drewitz in die Hände.

Wie die Berliner Zeitung berichtet, wurde in der Stasi-Unterlagenbehörde eine Kopie der aus dem Jahr 1967 stammenden Anklageschrift gegen Kurras gefunden, die direkt aus dem Büro des damaligen West-Berliner Generalstaatsanwalts stammt. Laut Stasi-Vermerk verfügte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) darüber hinaus noch über weitere Prozessunterlagen aus dem Kurras-Verfahren, insgesamt mehr als 500 Seiten.

Der Focus zitierte aus den Akten, wonach das Dokument am 6. August 1967 von einem Fahrer des Senats über die Transitstrecke nach Westdeutschland gebracht wurde. DDR-Zöllner kontrollierten den Wagen, entdeckten diverse Unterlagen und kopierten sie heimlich.

Für eine erneute Überprüfung der Vorgänge im Fall Kurras, der zwei Mal freigesprochen worden war, sprach sich Alt-Bundespräsident Roman Herzog aus. Es gebe zwar derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass Kurras im Auftrag der Stasi gehandelt habe, sagte Herzog der Bild- Zeitung.

Fraglich sei aber, ob er "sich bei seinen Vorgesetzten in Ost-Berlin lieb Kind machen wollte, also in einer Art vorauseilendem Gehorsam gehandelt hat. Zum System hätte das ja gepasst".

Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, verteidigte ihre Behörde gegen Kritik. "Wir sind keine Enthüllungsinstitution und kein Sensationsvermarkter", sagte Birthler in einem Interview der Süddeutschen Zeitung.

"Es geht mir vielmehr darum, dass Opfer zu ihrem Recht kommen und immer mehr Menschen begreifen, was eine Diktatur ist." Die Kurras-Akte war nach Angaben von Wissenschaftlern durch Zufall entdeckt worden, was Birthler Kritik eingebracht hatte.

© AFP/dpa/odg/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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