Spektakulärer Fund:Fotos aus der Nacht von Stammheim

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Hunderte Bilder aus dem Nachlass eines Polizeifotografen sind aufgetaucht. Sie zeigen auch die Leichen der RAF-Führung in den Zellen.

Von Bernd Dörries

Ordentlich beschriftet waren die Bilder mit den Toten, in roten Kartons, die wiederum in einem Lederkoffer lagen, dreißig Jahre lang. Die Menschen heben vieles auf - Dinge, die eigentlich niemand mehr braucht und solche, die sie innerlich nicht loslassen.

300 Bilder aus Stammheim lagen 30 Jahre lang im Keller eines ehemaligen Polizeifotografen (Foto: Foto: Stuttgarter Zeitung)

Drei Jahrzehnte hat ein früherer Polizeifotograf Aufnahmen aufbewahrt, die er am 18. Oktober 1977 in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim gemacht hatte. Die Bilder vom Ende des Deutschen Herbstes, von den toten RAF-Terroristen in ihren Zellen, von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe.

Der Polizeifotograf ist schon vor einiger Zeit gestorben, vor kurzem aber erst begannen seine Hinterbliebenen mit dem Ausräumen des Hauses. Im Keller fanden sie vor einer Woche den Koffer mit etwa 400 Fotos aus Stammheim. Die Bilder fanden ihren Weg zur Stuttgarter Zeitung und schließlich auch zur Staatsanwaltschaft, die am Montag nach einer ersten Durchsicht nach den Worten einer Sprecherin meinte, "bei den Aufnahmen dürfte sich es um nichts Neues handeln". Möglicherweise sei "das eine oder andere schon bekannte Bild in einem anderen Winkel aufgenommen worden".

Das ist richtig und falsch zugleich. Die Bilder mögen nur weitere Abzüge jener Fotos sein, die auch zwischen den Deckeln der Todesermittlungsakten liegen. Nichts Neues also. Da die Akten auch mehr als 30 Jahre nach den Selbstmorden von Stammheim unter Verschluss gehalten werden, wegen der auch nach dem Tod bestehenden Persönlichkeitsrechte, sind die nun aufgetauchten Fotos eben doch etwas Neues, neu, weil sie die Öffentlichkeit noch nie gesehen hat.

Neben den Bildern der Leichen in ihren Zellen fotografierte der Kriminaltechniker auch die Obduktionen der Terroristen Baader, Raspe und Ensslin sowie die Notoperation von Irmgard Möller. Sie hatte die Nacht von Stammheim trotz vieler Messerstiche überlebt und spricht bis heute davon, dass der Staat die Mitgefangenen umgebracht habe, nicht diese sich selbst.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft im Zusammenhang mit den Selbstmorden von Stammheim neue Ermittlungen. Diese Prüfung habe aber schon vor dem Auftauchen der Fotos begonnen, hieß es.

Im September 2007 war der Vorwurf laut geworden, einzelne Beamte aus dem Sicherheitsapparat hätten im Herbst 1977 den Selbstmordplan der Terroristen gekannt und nichts dagegen unternommen. Die Staatsanwaltschaft holte zu diesem Zweck die Todesermittlungsakten nach Stuttgart zurück, die im Jahr 2005 ins Staatsarchiv nach Ludwigsburg ausgelagert worden waren.

Dieser Vorgang sei allein auf Platzgründe zurückzuführen, teilte die Staatsanwaltschaft mit, es gebe derzeit kein Indiz, dass an den Vorwürfen etwas dran sei. Daran werden vermutlich auch die jetzigen Fotos nichts ändern, die nun weiter gesichtet werden und wieder zwischen die Aktendeckel wandern. Geheim sind sie nun nicht mehr, weswegen die Staatsanwaltschaft nun auch noch ein Verfahren wegen Verletzung von Eigentumsrechten prüft.

© SZ vom 5.8.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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