SPD nach der NRW-Wahl:In Angela Kraft steckt viel Hannelore Merkel

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Hannelore Kraft hat sich in NRW zum Sieg gemerkelt. Genau wie die Kanzlerin ist sie beliebter als ihre Partei. Sie ist beweglich, ein bisschen Sowohl-als-auch, nie polarisierend. Die drei möglichen Kanzlerkandidaten aus der SPD werden sich argumentativ ziemlich verrenken müssen, wenn sie erklären wollen, warum die natürliche Gegenkandidatin der Kanzlerin bei der Bundestagswahl nicht antreten soll.

Nico Fried

Die Leibgarde der Kanzlerin musste schon am Sonntag ganze Arbeit leisten. Peter Altmaier und Hermann Gröhe, Angela Merkels enge Vertraute, sagten immer wieder, was zu sagen war: keine Beschönigung, bittere Niederlage für die CDU, schlimmer als erwartet. Stellt sich die Frage, welche Verantwortung die Kanzlerin für all das trägt. Die Kanzlerin? Das war doch eine Landtagswahl, was hat das mit dem Bund zu tun? Also bitte, völlig abwegige Frage. Angela Merkel, so lautet die Botschaft der CDU, hat an der Schlappe von Norbert Röttgen so viel Anteil wie Schalke 04 am Double von Borussia Dortmund.

Angela Merkel und Hannelore Kraft während der Papstmesse im September 2011 im Berliner Olympiastadion. (Foto: REUTERS)

Die Verteidigungsringe ums Kanzleramt werden fester geschlossen. Und zwar nicht erst seit dem Wahlabend. Man kann Norbert Röttgen vorhalten, dass er vor der Wahl eher ungeschickt versucht hat, die Kanzlerin und ihre Euro-Politik in Mithaftung für das absehbare Desaster zu nehmen. Aber man sollte nicht unterschlagen, dass Merkel die Härte, mit der Röttgen daraufhin schon vor der Wahl in den eigenen Reihen als Volltrottel hingestellt wurde, billigend hinnahm. Wie einen vergifteten Arm band man Röttgen ab, auf dass er den Rest des Körpers CDU nicht kontaminiere. Merkel hatte die Gefahr für sich frühzeitig erkannt. Darin ist sie unübertroffen.

Führt vom CDU-Desaster in Düsseldorf ein direkter Weg zum Ende dieser Kanzlerschaft in Berlin? Nein. Das liegt schon allein daran, dass die politische Stimmung mittlerweile stärker schwankt als selbst der beschwipsteste Sozialdemokrat nach diesem Wahlabend auf dem Nachhauseweg. Vor allem aber halten die Wahlen in Nordrhein-Westfalen wie auch in Frankreich einige Lektionen bereit, die der SPD zeigen, was noch vor ihr liegt, wenn der Rausch verflogen ist. Und wie viel Kraft in Merkel steckt.

Die erste Debatte beginnt ab sofort. Es ist die Debatte um die Kanzlerkandidatur. Daran ändert auch der Verzicht von Hannelore Kraft nichts. Im Gegenteil: Die drei Kandidatenkandidaten stehen unter Rechtfertigungszwang: Warum haben die nicht, was sie hat? Kraft hat ihre Wahl hoch gewonnen. Die drei Herren haben immer haushoch verloren. Kraft nehmen erstaunlich viele Leute ab, dass es ihr um "die Menschen" gehe. Bei Gabriel, Steinmeier und Steinbrück glauben viele Leute, dass es jedem von ihnen - in Abstufungen - nur um einen Menschen geht. Und das sind immer sie selbst.

Es wäre mitnichten gewiss, dass die SPD mit einer Kandidatin Kraft die Bundestagswahl gewönne. Ganz sicher aber ist, dass kein Sozialdemokrat die Kandidatur gegen den Willen Krafts erringt. Wer immer es wird, er ist ein Herausforderer Merkels von Gnaden der Ministerpräsidentin. Das ist für drei starke Egos, die schon in der großen Koalition unter einer Kanzlerin Merkel litten, eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.

Man hat zuletzt hie und da philosophiert, wie viel Angela Merkel wohl in Hannelore Kraft steckt. Beide Frauen sind als Personen deutlich populärer als ihre jeweiligen Parteien. Beide sind Typen für die politische Mitte, beweglich, beschwichtigend, ein bisschen Sowohl-als-auch, nie polarisierend. Kraft hat sich durchaus auch zum Sieg gemerkelt. Dass man auf diese Art Wahlen gewinnen kann, ist umgekehrt für Merkel ein ermutigendes Zeichen in all dem Elend.

Das führt zu der Frage, wie viel Kraft eigentlich in Merkel steckt: Die größte Übereinstimmung liegt in ihrem Umgang mit Geld. Merkel wird leichthin als Spar-Kanzlerin apostrophiert. Aber sie lässt ja vor allem in Europa sparen - nicht in Deutschland. Eine abgesagte Steuersenkung macht schließlich noch lange keinen Sparkurs, der mit harten Gehaltseinschnitten oder massiven Rentenkürzungen zu vergleichen wäre. Und beide Damen bemühen edle Motive: Das Geldausgeben, das Kraft vorsorgende Politik nennt, ist bei Merkel das Geldausgeben, um den Konjunkturmotor der einzigen großen europäischen Volkswirtschaft nicht abzuwürgen, die noch ansehnliches Wachstum vorzuweisen hat.

In diesem freundlichen Umgang mit den Wählern gleichen sich Angela Kraft und Hannelore Merkel. Deshalb wird der SPD bei einer Bundestagswahl so wenig eine Mobilisierung gegen Merkel als Person gelingen, wie sie Röttgen gegen Kraft gelungen ist. François Hollande hatte in Nicolas Sarkozy einen Gegner, der als Feindbild taugte, im Extremfall sogar für Verachtung oder Hass. Kann man sich das gegen Merkel vorstellen? Hollande konnte einen linken Wahlkampf führen, der mehr Lafontaine enthielt als Steinbrück. Soll das ein Erfolgsrezept der SPD in Deutschland sein?

Das Kanzleramt wurde an diesem Sonntag erschüttert, aber es ist noch nicht sturmreif. Die SPD muss erst mal Ordnung in den eigenen Reihen schaffen. Bisher wabern da zu viele Widersprüche: Man hält der Regierung vor, von den Erfolgen ihrer Vorgänger zu leben - bekennt sich aber selbst nicht zur eigenen Reform-Vergangenheit. Man kritisiert den Kurs der Kanzlerin in der Euro-Krise - hebt aber jedes Mal die Hand dafür. Und Angela Merkel wird nun interessiert verfolgen, wie sich drei sozialdemokratische Männer argumentativ verrenken, um zu erklären, warum die natürliche Gegenkandidatin der Kanzlerin nicht ihre Gegenkandidatin wird.

© SZ vom 15.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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