Sozialisten:Bei den sieben Zwergen

Lesezeit: 2 min

Unter den Linken ragt keiner der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur heraus, schon gar nicht der Präsident selbst.

Von Christian Wernicke

Der Kandidat bedauert. Désolé! Dann genießt er lächelnd jedes Wort. Es sei, so sagt Arnaud Montebourg, ihm leider "wie Millionen Franzosen unmöglich, den aktuellen Präsidenten der Republik zu unterstützen". Montebourg, von seinem Intimfeind François Hollande vor zwei Jahren wegen mangelnder Linientreue als Wirtschaftsminister gefeuert, hält den Mann im Élysée für einen Verräter der Linken. Sogar der Lüge hat er seinen früheren Dienstherrn geziehen. Der Sozialdemokrat habe seine Wahlversprechen von 2012 gebrochen - und nur "neoliberale" Politik gemacht.

Das will er ändern. Weshalb der 53-jährige Anwalt nun selbst das höchste Staatsamt anstrebt: Der Linksnationalist erwägt, wie einst François Mitterrand, eine von Frankreichs Großbanken zu verstaatlichen ("wenigstens zeitweise"). Montebourg will zurück zu einem allgemeinen, sechsmonatigen Wehr- und Zivildienst für Frauen wie Männer. Und er möchte die EU neu erfinden, "mit einem neuen Vertrag von Rom".

Montebourg ist einer von inzwischen sieben Sozialisten und Grünen, die Hollande vor vier Jahren unterstützten, dann mit ihm brachen - und die sich nun selbst für reif halten für den Palast. Hinzu kommen Jean-Luc Mélenchon und Philippe Poutou - zwei tiefrote Bewerber, die zwar seit Jahren nichts mehr mit Hollande und der regierenden Linken zu tun haben wollen, die aber mithelfen dürften, die Stimmen der Wähler auf so viele konkurrierende Listen zu verteilen, dass es 2017 überhaupt kein linker Kandidat in den zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahl schafft. Dieses Fiasko erlebte die Linke schon einmal: Am 21. April 2002 scheiterte der Genosse Lionel Jospin, als er hinter dem Konservativen Jacques Chirac und dem Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen nur auf dem dritten Platz landete.

Damit sich 2002 nicht nach 15 Jahren wiederholt, haben sich die Sozialisten (PS) im Juni zu einer Vorwahl durchgerungen: Auch Hollande, der Präsident, wird sich im Januar dieser Urwahl stellen. Ob er (wie erwartet) selbst antritt, lässt der Präsident bis Dezember zwar offen. Andernfalls stünden Premier Manuel Valls und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron in den Startlöchern. In jedem Fall soll die "Primaire de la gauche" helfen, die Reihen zu schließen. Irgendwie. Als Preis für die innerparteiliche Demokratie nämlich verlangen Hollande und PS-Parteichef Jean-Christophe Cambadélis die Zusage aller Bewerber, im Fall einer Niederlage den Vorwahlsieger im Kampf gegen die Republikaner und den Front National zu unterstützen.

Sicher ist selbst das nicht: Arnaud Montebourg argwöhnt, die Parteibürokratie könnte mit allerlei Manövern den Amtsinhaber begünstigen, und hält sich das Hintertürchen offen, die PS-Vorwahl zu boykottieren. Und Cécile Duflot, die frühere Wohnungsministerin und selbstbewusste Grüne, will sich nur einer separaten Vorwahl der kleinen Ökopartei unterwerfen. Deren politischer Raum, so räumt die 41-Jährige ein, "ist zwar eng - aber er existiert!"

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: