Sozial-liberale Regierung in Rumänien:Parlament setzt konservativen Präsidenten Basescu ab

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Die sozial-liberale Parlamentsmehrheit in Rumänien hat ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Traian Basescu eingeleitet und damit ihren systematischen Zugriff auf staatliche Institutionen fortgesetzt. In 30 Tagen muss das Volk über die Zukunft ihres Staatsoberhauptes entscheiden - Deutschland und Frankreich sorgen sich um die Unabhängigkeit der Justiz beim EU-Partner.

Klaus Brill

Trotz internationaler Kritik hat die neue sozial-liberale Mehrheit in Rumänien am Freitag ihren systematischen Zugriff auf die staatlichen Institutionen fortgesetzt und den konservativen Präsidenten Traian Basescu abgesetzt. Mit 256 gegen 114 Stimmen beschlossen die beiden Kammern des Parlaments am Abend die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens, das jetzt als nächsten Schritt binnen 30 Tagen eine Volksabstimmung vorsieht. Sie soll am 29. Juli stattfinden.

Traian Basescu muss die Amtsgeschäfte bis zur Volksabstimmung ruhen lassen. (Foto: REUTERS)

Der Ausgang ist offen, doch äußerten schon im Vorfeld die EU-Kommission ebenso wie die deutsche und die französische Regierung ihre ernste Besorgnis darüber, ob die demokratische Machtbalance und die Unabhängigkeit der Justiz in Rumänien auch weiterhin gewahrt bleibe.

Hauptadressat der Kritik ist der 39-jährige Ministerpräsident Victor Ponta, der die von ihm geführte Sozialdemokratische Partei (PSD) vor einem Jahr mit der Nationalliberalen Partei (PNL) und einer konservativen Splitterpartei zu einer Sozialliberalen Union (USL) zusammengeschlossen hatte. Diesem Bündnis gelang im April der Sturz der früheren konservativen Regierung, nachdem zuvor zahlreiche Abgeordnete der Konservativen übergelaufen waren.

Seither verfügt die neue Allianz über eine klare Mehrheit im Parlament, die sie zum Austausch führender Funktionäre in zahlreichen Behörden, staatlichen Firmen und Institutionen nutzte, so auch beim staatlichen Fernsehen und im Amt des Ombudsmans. Zudem wurde die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtes eingeschränkt. Ferner setzte die neue Mehrheit am Mittwoch die bisherigen Präsidenten der beiden Kammern des Parlaments ab, die ebenfalls der konservativen Opposition angehörten.

Vorläufiger Höhepunkt war nun die Amtsenthebung des ebenfalls konservativen Präsidenten Traian Basescu, den die Sozialdemokraten und Liberalen eines Missbrauchs seiner Befugnisse, parteiischen Verhaltens zugunsten der früheren Regierung und der Einmischung in Regierungsangelegenheiten beschuldigen. Der Liberalen-Führer Crin Antonescu warf Basescu vor, er habe allen Institutionen Befehle erteilt, dem Parlament ebenso wie der Regierung, dem Verfassungsgericht, der Justiz und den Geheimdiensten. Indessen widersprach das rumänische Verfassungsgericht am Freitag dem Vorwurf, der Präsident habe damit gegen die Verfassung verstoßen.

Erster Sturzversuch 2007

Basescu seinerseits beschuldigte seine Wdersacher, sie wollten mit seiner Absetzung seine Bemühungen um eine unabhängige Justiz im Lande torpedieren und vom Vorwurf des Plagiats gegen Ministerpräsident Victor Ponta ablenken, dem geistiger Diebstahl in seiner Doktorarbeit vorgeworfen wird. Die Kontrahenten hatten eine ähnliche Auseinandersetzung bereits 2007 geführt, als das Parlament ebenfalls Basescus Suspendierung beschloss. Die anschließende Volksabstimmung konnte der Präsident mit 74,5 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich entscheiden. Heute ist er allerdings weit weniger populär, zudem hat die neue Mehrheit durch ein neues Referendumsgesetz für ihn die Hürden erhöht.

Diese offenbar präzise geplante Änderung der Spielregeln stieß bei der Opposition auf heftige Kritik, sie sprach von einem parlamentarischen Putsch. Im Ausland wurde der Akzent auf die Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichts gelegt. Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, äußerte ebenso seine tiefe Besorgnis wie die Regierungen in Berlin und Paris. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag, die Balance der Gewaltenteilung müsse in Rumänien erhalten bleiben. Es bestünden "Zweifel an der Legitimität der von der Regierung Ponta ergriffenen Maßnahmen", und diese Bedenken könnten auch Auswirkungen auf die Verhandlungen über den Beitritt des Landes zur Schengenzone der EU haben.

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