Sogenanntes Referendum in der Ukraine:An Absurdität nicht zu übertreffen

Residents in eastern Ukraine vote on independence referendum

Die Separatisten ziehen die Volksbefragung in der Ostukraine durch, allen Warnungen zum Trotz.

(Foto: dpa)

Kopierbare Wahlzettel, jeder kann wählen, wo und wie oft er will - und worüber abgestimmt wird, ist bewusst vage gehalten: Selbst in Russland werden Wahlen nicht so plump gefälscht wie in der Ostukraine. Interessant ist daher nicht, welches Ergebnis verkündet wird, sondern eher, was Putin als Nächstes tut.

Ein Kommentar von Cathrin Kahlweit

Machtpolitisch ist das Referendum in der Ostukraine eine Farce. Wofür oder wogegen da genau abgestimmt wird, ist bewusst vage gehalten. So kann sich jeder seinen Reim darauf machen, ob die Regionen Donezk und Lugansk an diesem Montag von der Duma und Wladimir Putin den Anschluss an Russland erbetteln werden oder nicht. Wer gegen das Referendum ist, blieb eingeschüchtert daheim oder wurde so bedroht, dass er dann doch lieber dafür war. Und was ist mit all den Städten, die den Urnengang verweigerten? Werden die neuen Republiken eher Fleckenteppiche sein - oder werden die Kommunen, die nicht mitmachten, gleich mal flott mit eingemeindet?

Nein, diese Sache ist an Absurdität nicht zu übertreffen; selbst in Russland werden Wahlen nicht so plump gefälscht. Denn auch formal ist das Referendum eine Farce. Beliebig kopierbare Wahlzettel, keine Wahlbeobachter, jeder kann wählen, wo er will - und für den Nachbarn und die kranke Oma gleich mit. Niemand kann kontrollieren, ob der "Ausgang", den die Separatisten verkünden werden, auch nur in Ansätzen dem entspricht, was sich an den Kreuzen in den Urnen widerspiegelt.

Vielleicht werden die Separatisten nicht so kühn sein, von 99 Prozent Zustimmung zu sprechen, aber mehr als 51 Prozent werden es offiziell schon sein. Daher ist es in der Tat erstaunlich, dass im Westen immer noch viele Menschen gespannt darauf warten, was da im Donbass wohl verkündet wird. Glauben sie an ein Wunder? Das wird ausbleiben. Und das bedeutet, dass es weiter am Kreml, an Putin ist, das Tempo vorzugeben. Der führt die Kiewer Übergangsregierung und den mit ihr solidarischen Westen am Halsband wie einen kläffenden Pinscher, der nicht einmal groß genug ist, um dem, der ihn führt, ans Bein zu pinkeln.

Der Westen soll die Lust an der Ukraine verlieren

Seit Monaten ist das jetzt so: Russland gibt Agenda und Takt vor, und Kiew plus EU plus USA plus der Rest der Welt reagieren. Jetzt also heißt es warten: Will Putin sich den Donbass wirklich zumuten? Oder will er die Separatisten auf einer Armlänge Abstand halten?

Einerseits lässt die Moskauer Rhetorik der vergangenen Wochen nicht darauf schließen, dass eine Annexion unmittelbar bevorsteht; es ist nicht sonderlich viel die Rede von bedrohten Russen, sondern eher von historischen Banden, die man mittelfristig neu knüpfen kann, was Moskau offenbar gerne will. Andererseits: Die Armee wartet an der Grenze.

Und die Stimmen mehren sich, die hinter den nur scheinbar wildgewordenen Bandidos einen klaren Plan vermuten. Die Präsidentschaftswahlen sollen unterminiert werden, das Chaos in der Ukraine verstärkt und die Lust des Westens verringert, in dieses Land Geld und Energie zu stecken.

So geht es weiter: Rätselraten, Neo-Kremlologie, Angststarre. Solange der Westen nicht das Heft des Handelns in die Hand nimmt - nicht mit Waffen, sondern mit echten, spürbaren Sanktionen -, so lange macht Wladimir Putin, was er will. Was immer das sein wird.

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