Slowakei:Schwere Regierungskrise

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Innenminister Kaliňák tritt in Folge der Ermordung des Journalisten Kuciak und seiner Verlobten zurück. Premier Fico kämpft um seine Koalition.

Von Tobias Zick, München

Der slowakische Innenminister Robert Kaliňák, der zugleich stellvertretender Regierungschef war, hat am Montag seinen Rücktritt erklärt: Er wolle "mit dieser Geste zur Stabilisierung der Situation in der Slowakei beitragen", sagte er. Beobachter werten den Schritt als Versuch der Regierungskoalition, ihr Überleben zu sichern. Das Land macht derzeit eine schwere Krise durch, ausgelöst durch die Ermordung des 27-jährigen Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter Martina Kušnírová im Februar. Kuciak hatte bei seinen Recherchen umfangreiche Hinweise auf Korruption und mutmaßliche Mafia-Verbindungen in höchsten Regierungskreisen zutage gefördert. Wenige Tage, bevor er in seinem Haus von Unbekannten erschossen wurde, hatte Kuciak Behördenanfragen im Zusammenhang mit den Vorwürfen verschickt. Die Polizei erklärte, die Tat stehe "höchstwahrscheinlich" mit Kuciaks Recherchen in Zusammenhang.

Ein Koalitionspartner hatte den Rücktritt gefordert: Man werde sonst das Bündnis platzen lassen

Am vergangenen Freitag demonstrierten in Bratislava und anderen Städten des Landes insgesamt bis zu 100 000 Menschen; es waren die größten Proteste seit der Samtenen Revolution, die 1989 zum Ende des kommunistischen Regimes führten. Viele Demonstranten forderten den Rücktritt der gesamten Regierung. Präsident Andrej Kiska hatte zuvor erklärt, Neuwahlen oder zumindest ein radikaler Umbau des Kabinetts seien nötig, um dem "riesigen und berechtigten Misstrauen gegenüber dem Staat" entgegenzuwirken. Premierminister Robert Fico, der sich bis dato als Verfechter europäischer, demokratischer Werte präsentiert hatte, warf Kiska daraufhin vor, das Land "destabilisieren" zu wollen und im Auftrag des aus Ungarn stammenden US-Milliardärs George Soros zu handeln. Soros hat in vielen Ländern zivilgesellschaftliche Organisationen finanziert, er wurde unter anderem vom ungarischen Premier Viktor Orbán, dessen zunehmend autoritären Regierungsstil Soros scharf kritisiert, zum Feindbild aufgebaut.

Most-Híd, die Partei der ungarischen Minderheit in der Slowakei, einer der drei Partner in der Regierungskoalition, hatte zuletzt einen Rücktritt von Innenminister Kaliňák gefordert und gedroht, andernfalls aus dem Bündnis auszutreten. Abgesehen davon, dass Kaliňáks Entschlossenheit und Unabhängigkeit in der Aufarbeitung des Journalistenmords von vielen Seiten bezweifelt wird, ist er zudem selbst in eine Korruptionsaffäre verwickelt. Ein Sonderermittler der Staatsanwaltschaft erklärte am vergangenen Donnerstag öffentlich, er habe Strafanzeige gegen Kaliňák sowie gegen den Polizeipräsidenten und den Leiter der Antikorruptionsbehörde gestellt: Die drei hätten in der Vergangenheit seine eigenen Ermittlungen in einem großen Mehrwertsteuer-Betrugsskandal sabotiert.

Ob der Rücktritt des Innenministers ausreichen wird, um Most-Híd, eine ehemals in Opposition zu Ficos Smer-SP stehende Partei, zum Verbleib in der Regierung zu bewegen, war am Montagnachmittag noch offen; die Parteiführung erklärte, sie werde im Laufe des Tages zu Beratungen darüber zusammentreffen. Die Slowakische Nationalpartei, der dritte Koalitionspartner, erklärte nach Kaliňáks Rücktritt, sie werde sich für Neuwahlen aussprechen, falls Most-Híd Fico die Unterstützung entzieht - oder dieser den Rückhalt der Parlamentsmehrheit verliert. Die Opposition hat für die nächsten Tage ein Misstrauensvotum angekündigt.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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